Angabe zu Sterbewahrscheinlichkeit falsch – Covid-Impfung schützt und wirkt

28.09.2021, 16:14 (CEST)

Die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Corona-Impfung wird in Sozialen Medien regelmäßig in Frage gestellt. In einem oft geteilten Facebook-Posting (hier archiviert) heißt es etwa, dass bei «einer Sterbewahrscheinlichkeit von 0,1 %» es für einen Impfstoff nicht möglich sei, diese noch weiter zu verringern. Zugeschrieben wird das Zitat Sucharit Bhakdi, einem Arzt für Mikrobiologie, der bereits in Pension ist.

Bewertung

Das Zitat ist nicht korrekt wiedergegeben und die Aussage ist falsch. Die Corona-Impfung soll nicht nur die Sterbewahrscheinlichkeit verringern, sondern auch vor einem schweren Krankheitsverlauf und einer weiteren Verbreitung des Virus schützen. Im Original bezog sich Bhakdi zudem auf die Altersgruppe unter 70 Jahren - doch auch für dieses Alter liegt die Sterberate nach Einschätzung von Expertinnen und Experten höher.

Fakten

Das Zitat wird im Posting deutlich verkürzt wiedergegeben. Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, der in der Vergangenheit bereits Falschinformationen zum Coronavirus verbreitet hat, äußerte sich im Gespräch mit einem Youtuber im November 2020 zur angeblichen Sterbewahrscheinlichkeit. Das Video wurde später von Youtube entfernt, weil es laut der Plattform gegen deren Community-Richtlinien verstoßen habe.

Bhakdi sagte damals (ab Minute 10:12): «Wenn Sie unter 70 sind und Sie bekommen dieses Coronavirus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an oder mit diesem Virus sterben, weniger als 0,1 Prozent. Es liegt sogar etwa bei 0,05 Prozent, das heißt 5 von 10 000 werden sterben. In dem Fall ist es nicht möglich für einen Impfstoff, die Sterbewahrscheinlichkeit noch zu verringern, weil sie schon so klein ist.» Im Zitat, das sich auf Facebook verbreitet, fehlt also die Einschränkung, dass sich Bhakdi auf Menschen bezieht, die jünger als 70 Jahre sind.

Die Angabe zur Sterberate ist außerdem nicht so allumfassend gültig, wie es Bhakdi nahelegt. Bei Infektionskrankheiten beschreibt die Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR) den Anteil der Todesfälle an der Zahl der tatsächlich Infizierten - also nicht nur der gemeldeten Infektionsfälle. Sie muss aufwendig gemessen oder berechnet werden. Zudem beeinflussen viele Faktoren, ob jemand in einem bestimmten Land an Covid-19 stirbt - etwa wie gut das Gesundheitssystem und wie krank oder alt die Bevölkerung ist.

Eine im Jahr 2020 veröffentliche wissenschaftliche Arbeit schätzt die Infektionssterblichkeit etwa weltweit für 55-Jährige auf 0,4 Prozent, für 65-Jährige auf 1,4 Prozent, für 75-Jährige auf 4,6 Prozent und für 85-Jährige auf 15 Prozent.

Eine weitere Studie aus demselben Jahr kam zu dem Schluss, dass die Infektionssterblichkeit in Spanien für bestätigte Covid-19-Todesfälle bei 0,8 Prozent lag. Ab dem Alter von 50 sei sie stark angestiegen. Den Studienergebnissen zufolge sei die Sterblichkeitsrate bei Covid-19 höher als bei anderen häufigen Atemwegserkrankungen.

Eine andere Studie aus dem Jahr 2021 führt für das Skigebiet Ischgl, in dem es im vergangenen Jahr einen starken Corona-Ausbruch gegeben hatte, eine Infektionssterblichkeit von 0,25 Prozent an – allerdings nur auf Basis von zwei Todesfällen.

Im Video-Interview erwähnt Bhakdi als Quelle für die Angabe, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent liegen soll, eine Meta-Studie des Epidemiologen Giannis Ioannidis. Darin wurden mehrere nationale oder regionale Berechnungen zusammengeführt und so ein globaler Durchschnitt der Infektionssterblichkeit gebildet.

An dieser Studie und ihrer Methode gab es viel Kritik. Auch der Autor selbst wies darauf hin, dass ein durchschnittlicher weltweiter Wert Schwächen bei der Aussagekraft habe. «Die IFR hängt von der betroffenen Umgebung und der betroffenen Bevölkerung ab.» Diese Informationen lässt Bhakdi weg.

Und selbst wenn man fälschlicherweise davon ausgehen würde, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent läge, würde das nicht die Sinnhaftigkeit der Impfung widerlegen. Denn ob ein Impfstoff die Sterbewahrscheinlichkeit senkt, hängt nicht von der IFR ab.

Zudem schützt die Corona-Impfung nicht nur davor, an Covid-19 zu sterben, sondern auch vor schweren Verläufen der Erkrankung, die selbst Genesene noch lange beeinträchtigen können. «Außerdem wird die Weitergabe des Virus in der Bevölkerung reduziert», sagte Christine Falk, Biologin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie der Deutschen Presse-Agentur per Mail.

Die hohe Schutzwirkung der Corona-Impfung wurde mittlerweile von Studien und Untersuchungen belegt, wie sich etwa in einem aktuellen Bericht der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zu Impfdurchbrüchen oder einer Studie zu Israel aus dem Jahr 2021 nachlesen lässt.

(Stand: 28.9.2021)

Links

dpa-Faktencheck zu Bhakdi

Verweis auf Löschung des Video-Gesprächs auf Youtube (archiviert)

Video mit den Aussagen von Bhakdi (ab Minute 10:12) (Video archiviert)

WHO-Informationen zur Berechnung von Sterblichkeit (archiviert)

Studie zur altersspezifischen Infektionssterblichkeit (archiviert)

Studie zur Infektionssterblichkeit in Spanien (archiviert)

Studie zur Infektionssterblichkeit in Ischgl (archiviert)

Meta-Studie mit niedriger Infektionssterblichkeit (archiviert)

Artikel mit Kritik an Meta-Studie (archiviert)

Öffentlichtes Gesundheitsportal Österreich zu Long Covid (archiviert)

Aktueller AGES-Bericht zu Impfdurchbrüchen (archiviert)

Studie zu Wirksamkeit der Impfung in Israel (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

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