Kontext fehlt

Habeck warb in Rede für mehr Fehlertoleranz und weniger Bürokratie

27.03.2024, 17:18 (CET)

Kurz, prägnant - und unvollständig: Das Kürzen und Auslassen von Zitaten ist ein beliebtes Stilmittel bei Irreführung und Falschinformationen.

Manche Politiker sind wahre Redekünstler, andere machen sich eher durch unglückliche Formulierungen einen Namen. Wogegen aber niemand gefeit ist: Wenn einzelne Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und skandalisiert werden. Aktuell kursiert zum Beispiel eine kurze Videosequenz im Netz, in der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über Bürokratie spricht und sagt, der Staat mache keine Fehler. Aber was sagt er über diese 30 Sekunden hinaus?

Bewertung

Habeck erklärte den Anspruch des Staates und seiner Verwaltung, keine Fehler machen zu wollen. Wie ein längerer Redeausschnitt zeigt, sagte Habeck sinngemäß, dass aus diesem Anspruch aber außer Sicherheit auch ein hoher bürokratischer Aufwand entstehe. Dieser ist aus seiner Sicht nur durch eine andere Fehlerkultur in der gesamten Gesellschaft abzubauen.

Fakten

Der Ausschnitt stammt aus einer Rede Habecks auf dem «Zukunftstag Mittelstand 2024» des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft Mitte März in Berlin. Dort ging es unter anderem um Bürokratieabbau. Habeck zählte Beispiele auf, in denen etwa Genehmigungsverfahren bereits verkürzt worden seien, ohne aber bei den Standards zurückzustecken. Dabei habe man die Erfahrung gemacht, der Staat könne «schlanker, effizienter und in dem Sinne agiler werden.»

Dass die hiesige Bürokratie derzeit eher eine Last sei, führte der Bundeswirtschaftsminister darauf zurück, dass der Staat und seine Behörden den Anspruch an sich hätten, keine Fehler zu machen. Auf diese Erwartungshaltung spielte Habeck mit dem Satz «Der Staat macht ja keine Fehler» an. Er erklärte das allerdings nicht sofort, sondern nannte erst Vorteile von Verwaltung. So entsteht die Verzerrung seiner Aussage.

Habeck fordert mehr Risikobereitschaft

So sei Bürokratie an sich etwas Gutes, zum Beispiel resultiere aus ihr eine Verlässlichkeit etwa bei Baugenehmigungen oder der Lebensmittelsicherheit. Weil die Verwaltung aber auch «immer auf der Höhe der technischen Entwicklung neue Erkenntnisse» gewinne, müsse sie bei Genehmigungen aber immer mehr Dinge berücksichtigen. «So baut sich quasi die Bürokratie aus sich selbst heraus auf», sagte Habeck: «Wenn wir also nie Fehler machen wollen, werden wir in Bürokratie absaufen.»

Die einzige Chance sieht der Bundeswirtschaftsminister in einem Umdenken der ganzen Gesellschaft, die allerdings mit einem gewissen Wagnis verbunden sei, denn es könne auch zu mehr Fehlentscheidungen kommen. Insofern sei eine gewisse Risikobereitschaft Aller gefragt.

Sein Plädoyer für eine höhere Fehlertoleranz will Habeck jedoch explizit nicht als Freifahrtschein für die Politik missverstanden wissen: «Wenn Minister permanent Fehlentscheidungen machen, dann werden sie halt abgewählt.» Aus seiner Sicht sei es jedoch für das Weiterkommen des Landes wichtig, zunächst Vertrauen in die Richtigkeit von Entscheidungen zu haben und erst dann «abzurechnen».

(Stand: 27.3.2024)

Links

Videoausschnitt (archiviert)

Rede Habecks auf dem «Zukunftstag Mittelstand 2024» (archiviert)

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