Eiswürfel-Erklärung zu einfach

Schmelzendes Landeis verursacht Meeresspiegelanstieg

25.03.2024, 17:22 (CET)

Führt schmelzendes Eis gar nicht zum Anstieg des Meeresspiegels? Ein Experiment legt das nahe. Doch dabei werden verschiedene Punkte außer Acht gelassen.

Dass der menschengemachte Klimawandel existiert, ist wissenschaftlich erwiesen. Unter anderem wird in dem Zusammenhang ein Anstieg des Meeresspiegels befürchtet. Nun sorgt ein Sharepic mit zwei Fotos in sozialen Netzwerken für Irritation: Auf dem linken Bild sind Eiswürfel in einem Wasserglas zu sehen. Die Eiswürfel sollen einen Eisberg symbolisieren und das Meer wird durch das Wasser dargestellt. Rechts sieht man offenbar dasselbe Gefäß - diesmal nur mit Wasser gefüllt. Die Oberfläche ist auf beiden Bildern etwa auf derselben Höhe. «Der Meeresspiegel steigt nicht und bleibt gleich», heißt es dazu - für viele Userinnen und User der Beweis dafür, dass der Klimawandel nur ein «Schwindel» ist. Ist der Meeresspiegelanstieg als Folge des Klimawandels wirklich nur ein Märchen?

Bewertung

Tauende Eiswürfel im Glas sind kein geeignetes Modell, um die globale Eisschmelze darzustellen. Denn das schmelzende Meereis wirkt tatsächlich nur marginal auf den Meeresspiegelanstieg aus. Vor allem das Schmelzwasser aus dem Landesinneren lässt den Wasserpegel steigen, wenn es in die Ozeane fließt.

Fakten

Der Klimawandel bringt diverse Auswirkungen auf die Umwelt mit sich. Neben dem Verlust von Artenvielfalt oder dem vermehrten Auftreten extremer Wetterereignisse ist auch der ansteigende Meeresspiegel eine Folge der globalen Erderwärmung.

Das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung warnt vor dem Meeresspiegelanstieg: «Seit Beginn der Industrialisierung ist durch die Klimaerwärmung der Meeresspiegel bereits um 20 cm angestiegen und der Anstieg hat sich (...) im letzten Jahrzehnt deutlich beschleunigt.» Diesen Wert ruft auch der aktuelle Weltklimabericht auf.

Der Anstieg des Meeresspiegels ist eng verbunden mit der aus dem Klimawandel resultierenden Eisschmelze. Wenn die Temperaturen steigen, schmelzen Eislandschaften und das Wasser fließt schließlich in den Ozean, wodurch der Meeresspiegel ansteigt. Dabei ist jedoch wichtig zu beachten: Schelfeis - also Eisflächen, die bereits auf dem Meer liegen oder damit verbunden sind - lässt beim Abschmelzen den Wasserstand nicht wesentlich steigen.

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, erklärt auf seiner Website wieso: Schwimmende Eisschollen oder Eisberge verdrängen Meerwasser, und zwar genau so viel, wie sie wiegen. Es kommt also beim Schmelzen kein Wasser hinzu, lediglich das schwimmende Eis taut und wird flüssig. Das Schmelzen erhöht den Wasserstand folglich nicht, so wie es auch das Eiswürfel-Experiment im Sharepic zeigt.

Allerdings sollte korrekterweise zwischen Süß- und Salzwasser unterschieden werden. Meerwasser ist salzig und weist somit eine andere Dichte auf als Süßwasser, woraus zum Beispiel Eisberge bestehen. Nimmt der Salzgehalt durch Schmelzwasser ab, verändert sich die Dichte des Ozeans und es wird mehr Volumen beziehungsweise Raum benötigt. Somit führen auch schmelzende Eisberge zu einem Anstieg des Meeresspiegels, wie das National Snow and Ice Data Center und auch das Jet Propulsion Laboratory der Nasa erklären. Dieser Effekt ist allerdings nur minimal.

Eis oder Schmelzwasser aus dem Landesinneren von Bedeutung

Bedeutsamer ist: Jedes Schmelzwasser oder jedes abgebrochene Eis, das neu hinzukommt - beispielsweise aus dem Festland von schmelzenden Gletschern - lässt den Meeresspiegel deutlich ansteigen. Sollten alle Gletscher und Eisschilde schmelzen und in den Ozean fließen, rechnet das Nasa Sea Level Change Team mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 60 Meter.

Die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs resultieren beispielsweise in Flutkatastrophen und Überschwemmungen. Davon ist auch Deutschland betroffen: Sturmfluten nehmen zu. Die Insel Sylt muss jedes Jahr frischen Sand an die Küste bringen, weil die Fluten die Insel wegspülen.

Eis-Albedo-Rückkopplung

Auch wenn die schmelzenden Eismassen im Meer den Wasserpegel nur wenig steigen lassen, so wirkt sich das Phänomen dennoch auf die Natur aus. Das helle Eis reflektiert nämlich viel Sonnenlicht und schützt das Wasser so vor Erwärmung.

Da das offene Meer deutlich dunkler ist, wird mehr Strahlung absorbiert. Als Folge erwärmt sich das Meer stärker, wie auf der Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft beschrieben ist. Auch das Alfred-Wegener-Institut erklärt das Phänomen, das zum Beispiel Auswirkungen auf das Ökosystem hat.

(Stand: 25.03.2024)

Links

Facebook Post 1 und 2 (archiviert hier und hier)

Folgen des Klimawandels (archiviert)

GEOMAR zum Meeresspiegelanstieg (archiviert)

IPCC Bericht (archiviert)

WWF zur Eisschmelze (archiviert)

Schelfeis (archiviert)

Alfred-Wegener-Institut zu Schelfeis (archiviert)

National Snow and Ice Data Center zu Süß- und Salzwasser (archiviert)

Jet Propulsion Laboratory (archiviert)

Nasa Sea Level Change Team (archiviert)

Nordsee und der Meeresspiegel (archiviert)

Meeresspiegel und Sylt (archiviert)

ESKP zu Albedo (archiviert)

Alfred-Wegener-Institut zu Albedo (archiviert)

Klimawandel verursacht Fischsterben (archiviert)

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