Aiwanger rechnete falsch

Wald müsste größer sein als Deutschland, um CO2-Ausstoß aufzunehmen

14.03.2024, 17:21 (CET)

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte behauptet, eine zusätzliche Waldfläche von 25 Quadratkilometern könnte die CO2-Emissionen Deutschlands absorbieren. Daten widerlegen diese Aussage.

Auf Youtube kursiert ein Video, in dem der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eine vermeintlich einfache Lösung für den CO2-Ausstoß in Deutschland präsentiert: Er stellt die These auf, dass Bäume pro Kubikmeter eine Tonne CO2 aufnehmen können. In Deutschland liege der CO2-Ausstoß jährlich bei knapp unter einer Milliarde Tonnen. Folglich bräuchte es lediglich 25 Quadratkilometer zusätzliche Waldfläche, um den CO2-Ausstoß zu absorbieren. Eine eingesprochene Stimme schlussfolgert am Ende des Videos, dass in diesem Fall keine Elektroautos, keine Windräder und keine Wärmepumpen mehr nötig seien.

Bewertung

Abgesehen von der nachträglich eingefügten Stimme hat Aiwanger diese Aussage tatsächlich getätigt. Die Berechnung ist jedoch falsch: Um den CO2-Ausstoß Deutschlands in Gänze zu absorbieren, bräuchte es einen Wald, der größer wäre als das Bundesgebiet.

Fakten

Im Hintergrund des Videoausschnitts ist die deutsche Fridays For Future Aktivistin Carla Reemtsma zu erkennen. Mit ihr saß Aiwanger in der Talkshow «Münchner Runde» mit dem Titel «Protest der Autofahrer und Greta-Kritiker». Mit dabei waren Christopher Grau von «Fridays for Hubraum» und die Grünen-Politikerin Lisa Badum.

Die Sendung ist seit dem 30. Oktober 2019 in der Mediathek der ARD abrufbar. Auch auf Youtube ist sie zu sehen. Bei Minute 37:37 erklärt Aiwanger seine These zur CO2-Absorption. Lediglich der eingespielte Sprecher ist nicht Teil der Originalsequenz.

Grundsätzlich fungieren Wälder als Speicher für Kohlendioxid (CO2), wie das Thünen-Institut schreibt. Bei dem chemischen Prozess der Photosynthese wird CO2 in Sauerstoff und Kohlenstoff aufgespalten, wobei letzteres in der Biomasse gespeichert wird.

Die von Aiwanger angegebene Gleichung, dass ein Kubikmeter eine Tonne CO2 aufnimmt, bestätigt Joachim Rock vom Thünen-Institut auf Anfrage der dpa als groben Richtwert, der von weiteren Faktoren wie der Baumart abhängt.

Doch der Rest der Rechnung ist falsch: Aus der letzten, vollständig ausgewerteten Waldinventur 2012 geht hervor, dass mit rund 11,054 Millionen Hektar gut 30 Prozent der Fläche in Deutschland bewaldet sind. Das entspricht etwa 90 Milliarden Bäumen, wie Rock mitteilte.

Die vom Thünen-Institut erhobenen Daten zeigen, dass der in Deutschland bewirtschaftete Wald netto gut 33 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aufnimmt. Dem steht ein jährlicher CO2-Ausstoß von 750 Millionen Tonnen gegenüber, den das Umweltbundesamt für 2022 ermittelt hat.

Aiwanger hatte die für die Absorption des gesamten Kohlendioxids benötigte Fläche auf 25 Quadratkilometer geschätzt. Diese könnten laut Rocks Berechnungen jedoch lediglich 6000 Tonnen aufnehmen.

Es bedarf also einer weitaus größeren Waldfläche, um den jährlichen CO2-Ausstoß zu absorbieren. Wie groß diese sein müsste, hängt davon ab, ob der Wald bewirtschaftet wird. Würde der Wald so belassen, wie er ist, wäre laut Rock eine zusätzliche Fläche von mehr als 64 Millionen Hektar erforderlich. Das entspräche einer Versechsfachung der gegenwärtigen Fläche, wie es vom Thünen-Institut heißt.

Geht man von einem bewirtschafteten Wald aus, wären sogar mehr als 300 Millionen Hektar Fläche nötig. Das wäre «eine Verzweiundzwanzigfachung und läge als Flächenbedarf knapp über der Landfläche Indiens», so Rock.

(Stand: 12.3.2024)

Links

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