Videobericht gefälscht

Bauernprotest vor ukrainischer Botschaft in Paris ist frei erfunden

15.02.2024, 12:45 (CET)

Ein Euronews-Video zu einem angeblichen Gülle-Wurf auf die ukrainische Botschaft in Frankreich ist eine Fälschung. Den Vorfall und eine angebliche ukrainische Forderung an Bauern hat es nie gegeben.

Frankreichs Landwirte hatten über eine Woche lang vor allem mit Autobahnblockaden gegen sinkende Einnahmen und Umweltvorschriften aus Brüssel Vorgaben protestiert. Laut Beiträgen in sozialen Medien kam es dabei auch zu einem Zwist mit Vertretern der Ukraine: «Französische Bauern bewarfen die ukrainische Botschaft mit Fäkalien, nachdem Botschaftsvertreter die Demonstranten aufgefordert hatten, sich zu zerstreuen», heißt es in einem Facebook-Beitrag. Darin ist ein Video mit dem Logo des Senders Euronews zu sehen. In dem angeblichen Euronews-Bericht wird gezeigt, wie ein Fahrzeug Mist auf ein Gebäude sprüht. Außerdem wird ein Dokument gezeigt, das angeblich aus der Feder des ukrainischen Botschafters stammen soll, und es wird der Chef der französischen Landwirtschaftsgewerkschaft FNSEA zitiert.

Bewertung

Der Videobericht ist eine Fälschung. Euronews hat ihn nicht produziert. Es gab auch keinen Gülle-Abwurf vor der ukrainischen Botschaft in Frankreich oder die erwähnte angebliche Forderung an die Bauern. Die Botschaft bezeichnete das im Video gezeigte Dokument als Fake. Die Szene mit dem Abladen von Gülle zeigt einen älteren Protest 2023 vor einem Regionalrat in Dijon.

Fakten

Auf der Webseite des Senders Euronews oder auf anderen Nachrichtenseiten ist ein solcher Bericht über eine angebliche Aktion französischer Bauern gegen die ukrainische Botschaft nicht zu finden. Es gibt keinen Beleg, dass sie jemals stattgefunden hat.

Tatsächlich wird im Video ein älteres Ereignis zeigt, das mit der Ukraine nichts zu tun hat: Im Dezember 2023 protestierten Bauern in Dijon vor dem Rat der Region Bourgogne-Franche-Comté, die an die Schweiz grenzt. Dabei sprühten sie Gülle auf das Regionalratsgebäude, um die verspätete Auszahlung von Beihilfen für Junglandwirte zu kritisieren. Fotos des Rats zeigen, dass es sich definitiv um das Gebäude im gefälschten Euronews-Video handelt. Die ukrainische Botschaft in Paris sieht anders aus.

Euronews teilte mit, dass das Video nicht echt sei und den Stil sowie das Format des Senders nur imitiere. «Wir bestätigen, dass das von Ihnen erwähnte Video eine Fälschung ist und nichts mit Euronews zu tun hat», schrieb Peter Barabas, Redaktionsleiter von Euronews, auf Anfrage der Deutsche Presse-Agentur (dpa). Ähnliche Fälle von gefälschten Euronews-Videos seien schon in den letzten 12 Monaten aufgetaucht. Weitere Elemente des gefälschten Nachrichtenvideos sind ebenfalls nicht echt.

Die ukrainische Botschaft in Frankreich bestätigte auf dpa-Anfrage, dass der im Video erwähnte Brief gefälscht ist. «Er wurde nie von der ukrainischen Botschaft in Frankreich verfasst oder verschickt», teilte ein Sprecher mit. Das Fälschen von vermeintlich offiziellen ukrainischen Dokumenten war in der Vergangenheit bereits eine Methode von Falschinformationen, die russische Propaganda gegen die Ukraine verbreiteten.

Erfunden ist auch, was Arnaud Rousseau, Chef der französischen Landwirtschaftsgewerkschaft FNSEA, im Video angeblich sagt. Zwar Rousseau im Video zu sehen ab Minute 00:30. Doch er ist nicht zu hören - die erfundene Aussage erscheint nur als Untertitel. Und so hat er sich auch nie geäußert: «Ich bestätige Ihnen, dass Herr Arnaud Rousseau, Präsident der FNSEA, diese Äußerungen nie gemacht hat», teilte ein Sprecher der Gewerkschaft auf dpa-Anfrage mit. Die gezeigten, falsch untertitelten Interview-Aufnahmen mit Rousseau stammen aus einem Gespräch mit dem französischen Sender BFMTV/RMC vom 2. Februar.

Die genaue Herkunft des gefälschten Nachrichtenvideos ist unklar. Bevor es sich unter deutschsprachigen Nutzern verbreitete, kursierte es zuvor in russischen Telegram-Kanälen.

Nachrichtenvideos oder ganze Nachrichtenseiten, die bekannte Medienmarken nachahmen und in ihrem Namen erfundene Berichte mit prorussischen oder anti-ukrainischen Inhalten verbreiten, sind in den vergangenen Jahren immer wieder aufgetaucht, wie auch mehrere dpa-Faktenchecks zeigten. Ende Juli 2023 verhängte die EU Sanktionen gegen Propagandisten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die sie als Verantwortliche hinter den gefälschten Medien-Webseiten und anderen Fake-Kampagnen betrachtet.

(Stand: 14.02.2024)

Links

Suche auf «Euronews.com» nach Bericht über französische Bauern und ukrainische Botschaft (archiviert)

Suche nach anderen französischen Medienberichten zu angeblichem Fall(archiviert)

Bericht über die Mist-Aktion im Dezember 2023 (archiviert)

Foto des Regionalratsgebäudes (archiviert)

Foto der ukrainischen Botschaft in Paris(archiviert)

Euronews-Beitrag über früheres gefälschtes Video (archiviert)

dpa-Faktencheck über früheren Fall eines gefälschten ukrainischen Dokuments

Informationen über die französische Bauerngewerkschaft FNSEA (archiviert)

Interview mit Arnaud Rousseau mit BMFTV/RMC (archiviert)

Fundstelle des Videos in russischem Telegram-Kanal (archiviert)

dpa-Faktencheck zu falscher Medienseite

Weiterer dpa-Faktencheck zu falscher Medienseite

Mitteilung des Rats der EU zu den Sanktionen (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert, Video archiviert)

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