Angeblicher Bezahlkarten-Trick

Asylbewerber im Video erhielt 2018 in Bernburg Gutscheine

09.02.2024, 16:13 (CET)

Asylbewerber erhalten statt Bargeld künftig wohl eine Bezahlkarte. Ein Video soll zeigen, wie ein Geflüchteter das zu umgehen versucht. Aber es ist mehr als fünf Jahre alt.

Die Bundesländer wollen eine Bezahlkarte einführen, über die Asylbewerber einen Teil der staatlichen Leistungen erhalten sollen. Diese soll, möglicherweise regional eingeschränkt, in Geschäften akzeptiert werden und verhindern, dass die Menschen Geld in ihre Herkunftsländer überweisen. Nach Angaben der hessischen Landesregierung sollen so auch «Anreize für illegale Migration nach Deutschland» gesenkt werden.

Doch ein Video in den sozialen Netzwerken führt das Modell der Bezahlkarte scheinbar ad absurdum. Zu sehen ist ein Mann vor einem Lebensmittelgeschäft. «Um an das Bargeld für das Flaschenpfand zu kommen, kauft der "Geflüchtete" mit seiner "Bezahlkarte" Mineralwasser und leert die Flaschen direkt vor dem Supermarkt aus», heißt es dazu. Stimmt das?

Bewertung

Falscher Kontext. Das Video wurde 2018 in Sachsen-Anhalt aufgenommen. Mit der derzeit geplanten Bezahlkarte hat es nichts zu tun. Der Mann, ein abgelehnter Asylbewerber, erhielt den Behörden zufolge Sozialleistungen in Form von Warengutscheinen.

Fakten

Der Mann im Video leert mutmaßlich tatsächlich Flaschen aus, um an Pfandgeld zu kommen. Aber er nutzte keine Bezahlkarte. Diese ist auch bislang noch gar nicht flächendeckend eingeführt worden. Nur in einzelnen Landkreisen gibt es ein solches Modell bereits.

Der Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt gehört nicht dazu. Aus diesem stammt aber das Video in den sozialen Netzwerken. Zu sehen ist ein Supermarkt in Bernburg (Saale). Eine Bilderrückwärtssuche zeigt, dass das Video von dort schon mehrere Jahre alt ist.

Im Dezember 2018 berichtete die «Mitteldeutsche Zeitung» über den Vorfall. Zuvor hatte eine lokale Facebook-Seite das Video veröffentlicht und damit Diskussionen in der Stadt ausgelöst. Die Zeitung fand heraus: Zu sehen ist ein abgelehnter, ausreisepflichtiger Asylbewerber. Die Kreisverwaltung teilte der Zeitung mit, dass der Mann gekürzte Leistungen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalte - und zwar in Form von Warengutscheinen. Diese seien in Geschäften im Salzlandkreis einlösbar - nicht jedoch zum Beispiel für Alkohol und Zigaretten.

Dem Landkreis zufolge wurden mit solchen Gutscheinen im Dezember 2018 nur einige Asylbewerber versorgt. Im Fall des Mannes im Video spielten demnach sein Status als ausreisepflichtiger Asylbewerber eine Rolle und der Umstand, dass er sich nicht um einen Pass seines Heimatlandes kümmerte. Wie eine Kreissprecherin der «Mitteldeutschen Zeitung» sagte, sei er nach Bekanntwerden des Videos gebeten worden, «derartige Handlungen», also das Ausschütten der Wasserflaschen, zu unterlassen.

Anfang 2024 ist das Video nun erneut verbreitet worden - jedoch ohne Hinweise auf das Jahr 2018 und den Hintergrund des Vorfalls. In den sozialen Netzwerken wird die Aufnahme unter anderem von AfD-Politikern (hier und hier) in einen falschen Kontext mit der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber gerückt.

(Stand: 09.02.2024)

Links

dpa-Bericht über geplante Bezahlkarte für Asylbewerber (31.1.2024) (archiviert)

Mitteilung der Hessischen Staatskanzlei (31.1.2024) (archiviert)

MDR-Bericht über Erfahrungen mit Bezahlkarten in Thüringen (2.2.2024) (archiviert)

dpa-Bericht zu möglichen Bezahlkarten in Sachsen-Anhalt (11.10.2023) (archiviert)

Supermarkt in Bernburg auf Google Maps (archiviert)

Bilderrückwärtssuche mit Google Lens (archiviert)

Artikel der «Mitteldeutschen Zeitung» (12.12.2018) (archiviert)

Video via «BBGLIVE» auf Facebook (5.12.2028) (archiviert; Video archiviert)

Asylbewerberleistungsgesetz (archiviert)

X-Posting von AfD-Politiker Pazderski (archiviert; Video archiviert)

Facebook-Beitrag von AfD-Politiker Sichert (archiviert; Video archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert; Video archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.