Kein Notstand ausgerufen

Frankreichs Regierung macht Bauern Zugeständnisse

08.02.2024, 17:42 (CET)

In vielen Teilen Europas sind Bauern auf die Barrikaden gegangen. Starke Proteste gab es in Frankreich. Der Notstand wurde dort aber - anders als behauptet - nicht verhängt.

Seit Anfang Januar 2024 sind Bauern in Deutschland und anderen Ländern Europas auf die Straße gegangen. Weitreichende Proteste gab es auch in Frankreich. Landwirte blockierten dort Straßen und Autobahnen, um ihren Unmut unter anderem gegen sinkende Einnahmen und Umweltvorschriften kundzutun. In Sozialen Netzwerken kursierte daraufhin die Behauptung, die französische Regierung habe den Notstand ausgerufen. Was ist da dran?

Bewertung

Der Notstand wurde nicht ausgerufen, die Behauptung ist falsch. Im Gegenteil: Die französische Regierung kündigte umfassende Finanzhilfen für Bauern an.

Fakten

Seit Ende Januar 2024 haben Bauern in Frankreich gegen niedrige Einnahmen, Umweltauflagen und generell zu viele Vorgaben demonstriert. Es gab Straßenblockaden, vor allem die Hauptstadt Paris war stark betroffen. Zeitweise waren offiziellen Angaben zufolge rund 10 000 Landwirte beteiligt. Dabei kam es zu Tumulten, Dutzende Landwirte drangen zum Beispiel trotz erheblicher Polizeipräsenz in den Pariser Großmarkt Rungis ein. Rund 80 Menschen wurden festgenommen.

Um das Vorrücken von Traktoren zu verhindern, setzte Innenminister Gérard Darmanin auch gepanzerte Fahrzeuge ein. Diese standen auf einigen Autobahnen den Landwirten gegenüber, ohne dass es aber zu größeren Zwischenfällen kam. Der Notstand wurde dabei zu keinem Zeitpunkt ausgerufen.

Was bedeutet Notstand?

Das französische Notstandsgesetz wurde 1955 erlassen. Im Fall der Fälle gibt es den Behörden weitreichende Sicherheitsbefugnisse, zum Beispiel können sie Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängen. Ausgerufen wurde der Notstand in der Vergangenheit etwa während des Algerienkriegs in den 1950er und 1960er Jahren, während der Unruhen in den Pariser Vorstädten 2005 sowie nach den Terroranschlägen in Paris im Jahr 2015.

Voraussetzung für die Verhängung dieses Ausnahmezustandes ist, dass eine «unmittelbare Gefahr resultierend aus schwerwiegenden Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung besteht oder wenn Ereignisse eintreten, die aufgrund ihrer Natur und ihrer Schwere den Charakter einer öffentlichen Katastrophe darstellen». Der Notstand kann vom Ministerrat verhängt werden. Die Entscheidung würde dann vom französischen Präsidenten verkündet sowie im Amtsblatt der Republik Frankreich veröffentlicht werden. Darin finden sich allerdings keine aktuellen Einträge zu einem Notstand. Auch auf der Internetseite der französischen Regierung findet sich dazu nichts.

Die französische Regierung hat den Landwirten inzwischen eine Reihe von Zusagen gemacht. Beispielsweise stellte sie Viehhaltern 150 Millionen Euro in Aussicht. Zudem sollen Kontrollen in Supermärkten mit Blick auf die Herkunft von Produkten verbessert werden.

Die Bauernverbände reagierten positiv auf die Hilfszusagen, der Großteil der Blockaden löste sich daraufhin Anfang Februar weitgehend auf. In langen, von der Polizei begleiteten, Traktorkolonnen fuhren die Bauern über die Autobahnen in Richtung ihrer Heimatorte.

(Stand: 07.02.2024)

Links

Behauptung bei Facebook, archiviert

Bericht über Bauernproteste, II, III, archiviert I, II, III

Hintergründe zum Algerienkrieg, archiviert

Bericht zum Notstand nach Unruhen in Pariser Vorstädten 2005, archiviert

Bericht zu Terroranschlägen in Paris 2015, archiviert

Französisches Notstandsgesetz von 1955, archiviert

Amtsblatt der Republik Frankreich, archiviert

Aktuelle Mitteilungen der französischen Regierung, archiviert

Mitteilung der französischen Regierung zu Hilfen für Landwirte, archiviert

Bericht über Zusagen für Viehhalter, archiviert

Bericht zu positiver Reaktion der Gewerkschaften und vorläufigem Ende der Proteste, archiviert

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