Pandemieprävention

WHO-Vertragsentwurf betont Souveränität der Mitgliedsstaaten

08.02.2024, 12:26 (CET)

Ein Abkommen der WHO soll die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen künftige Pandemien stärken. Nationale Regierungen werden damit nicht entmachtet, wie der Vertragsentwurf deutlich betont.

Infolge der Corona-Pandemie streben einige Länder eine stärkere internationale Zusammenarbeit an, um besser auf gesundheitliche Notlagen vorbereitet zu sein. Geht es nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll dies nun auch in einem Abkommen festgelegt werden. Doch inwieweit greift das in die nationale Souveränität der einzelnen Staaten ein?

In einem Video auf Facebook wird behauptet, mit dem Vertrag solle der WHO «totale Kontrolle, totale Macht übergeben werden, weg von der Souveränität der Staaten hin zu einer Totalkontrolle, also zu einer totalitären Macht der Weltgesundheitsorganisation in Pandemiefragen». Die WHO dürfe in Zukunft die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken und sie beispielsweise zum Impfen zwingen. Stimmt das?

Bewertung

Das ist falsch. Der Entwurf sieht mehr Zusammenarbeit bei zukünftigen Pandemien vor. Die Pläne betonen sogar die Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Fakten

Die 194 Mitgliedstaaten der WHO beraten vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie seit Anfang 2022 über einen Vorentwurf («Zero Draft») für das Abkommen. Die Beratungen finden derzeit noch in einem speziellen Verhandlungsgremium («Intergovernmental Negotiating Body INB») statt. Das Ergebnis soll der Weltgesundheitsversammlung, in der alle Mitgliedsländer vertreten sind, im Mai 2024 vorgelegt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand 7. Februar 2024) gibt es noch keinen endgültigen Vorschlagstext.

Im Gegensatz zu der Behauptung in dem Video unterstreicht der bisher vorliegende Entwurf jedoch gleich an drei Stellen die Souveränität der Mitgliedstaaten in allen Fragen der öffentlichen Gesundheit.

Keine Spur von totalitärer Macht im Entwurfstext

Bereits im ersten Satz des Papiers wird der «Grundsatz der Souveränität der Vertragsstaaten bei der Behandlung von Fragen der öffentlichen Gesundheit, insbesondere Pandemieprävention, Bereitschaft, Reaktion und Wiederherstellung der Gesundheitssysteme» betont. In Artikel 4 wird zudem das souveräne Recht der Mitgliedstaaten, «ihren Umgang mit der öffentlichen Gesundheit zu bestimmen und zu verwalten» unterstrichen.

Artikel 15 des Vorentwurfs räumt dem WHO-Generaldirektor zwar ein, Pandemien auszurufen. Zuvor müsste aber das Verhandlungsgremium INB diesem Zustimmen. Zudem ist ein solcher Fall an eine Reihe von strengen Bedingungen geknüpft. Und selbst wenn eine Pandemie ausgerufen würde, könnte die WHO keine Ausgangssperren verhängen oder einen Impfzwang anordnen. Der Vorentwurf für den Pandemievertrag enthält keinerlei derartige Ermächtigungen.

Experten sehen Grundrechte von Vertragsentwurf gewahrt

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages erklärte, dass der Vertragsentwurf keine Grundrechtseinschränkungen enthalte. Die WHO sei keine globale Gesundheitspolizei: «Potenzielle Grundrechtseingriffe wären allein die Folge eines souveränen staatlichen Handelns.» Der Vertragsentwurf soll die Grundrechte «gerade nicht einschränken, sondern verfolgt vielmehr das Ziel einer Stärkung der menschenrechtlichen Grundlagen in der globalen Gesundheitsfürsorge», heißt es in einem Gutachten.

Am 15. September 2023 lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die deutsche Beteiligung an den Verhandlungen über den Vertrag als unzulässig ab. Die Klägerin hatte ähnlich wie in dem verbreiteten Video argumentiert, die WHO solle aufgrund der derzeit verhandelten Regelungen legislative und exekutive Gewalt erhalten. Das hebe die Souveränität der Mitgliedstaaten auf.

Dieser Deutung widersprechen die Verfassungsrichter. Die Mitwirkung am Pandemievertrag sei «kein tauglicher Beschwerdegegenstand», da sie «keine innerstaatlichen Rechtswirkungen» auslöse. Das bedeutet, das Gericht sieht die Grundrechte der einzelnen Bürgerinnen und Bürger wegen des Vertragsentwurfs nicht in Gefahr.

Der WHO wird immer wieder vorgeworfen, mit einem Pandemievertrag in die Souveränität einzelner Länder einzugreifen. Mehrere dpa-Faktenchecks konnten dies widerlegen.

(Stand: 7.2.2024)

Links

dpa-Faktencheck über WHO-Vertrag und Souveränität einzelner Länder

dpa-Faktencheck über WHO-Vertrag und Menschenrechte

Vertragsentwurf der WHO (archiviert)

Gesundheitsministerium zum Pandemieabkommen (archiviert)

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (archiviert)

Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsbeschwerde (archiviert)

Informationen über die Weltgesundheitsorganisation (archiviert)

Facebook-Post (archiviert, Video archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.