Debatte um neues Wahlgesetz

Sieg von Claudia Roth in verkleinertem Wahlkreis ungewiss

02.02.2024, 14:02 (CET)

Vor der Abstimmung über das Wahlrecht wird die Ampelkoalition der Manipulation bezichtigt. Ob die Änderung des Bundeswahlgesetzes aber der Grünen-Politikerin Claudia Roth hilft, ist völlig ungewiss.

Der Bundestag stimmte am Donnerstag über eine Änderung des Bundeswahlgesetzes ab. Dabei geht es auch um einen Neuzuschnitt von Wahlkreisen in Sachsen-Anhalt und Bayern. Im Freistaat handelt es sich um Augsburg-Stadt, Heimat-Wahlkreis der Grünen-Politikerin Claudia Roth. In sozialen Netzwerken wird deshalb behauptet, die Ampel-Koalition würde zugunsten der Kulturstaatsministerin das Wahlrecht manipulieren, um ihr «ein Direktmandat zu sichern». Kann das sein?

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Auch wenn ihr Heimat-Wahlkreis von der Änderung betroffen ist, wurde nicht extra für Claudia Roth darüber abgestimmt. Gemessen am Ergebnis der Bundestagswahl 2021 würde die Grünen-Politikerin auch in den geänderten Wahlkreisgrenzen kein Direktmandat gewinnen.

Fakten

Die Debatte hat sich an der Umverteilung eines Wahlkreises von Sachsen-Anhalt nach Bayern entzündet. Weil die Bevölkerung und damit die Zahl der Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt schrumpft, gab es dort zu viele Wahlkreise. In der Region Augsburg waren hingegen deutlich mehr Wahlberechtigte pro Wahlkreis registriert als anderswo.

In Bayern wird nach den Vorschlägen der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP nun aus Teilen der bisherigen Wahlkreise Augsburg-Land, Neu-Ulm und Ostallgäu ein zusätzlicher Wahlkreis gebildet. In Sachsen-Anhalt verschwindet dagegen der Wahlkreis Anhalt.

Nach dem Bundeswahlgesetz müssen immer Wahlkreise umstrukturiert werden, wenn sich der Bevölkerungsanteil stark ändert. Die Unionsparteien positionierten sich zuvor gegen den Gesetzentwurf.

Vorwurf von Merz: Manipulation des Wahlrechts

Den aktuellen Stein ins Rollen brachte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU), der den Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP Wahlrechtsmanipulation zugunsten von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vorwarf.

Die Union beklagte, dass sich ein Vorteil für Grünen-Politikerin Roth ergeben könnte, wenn die Stadt Königsbrunn wie geplant aus dem Wahlkreis Augsburg-Stadt herausgelöst wird.

Roth hat ihren Heimat-Wahlkreis noch nie gewonnen

Es stimmt zwar, dass Roth auch die Belange ihres Heimat-Wahlkreises Augsburg-Stadt im Bundestag vertritt. Gewonnen hat sie diesen bisher jedoch nie, auch jüngst ging das Direktmandat bei der Bundestagswahl 2021 an einen CSU-Abgeordneten: Volker Ullrich holte 28,1 Prozent der Erststimmen. Roth erhielt 20,6 Prozent.

Die heutige Kulturstaatsministerin zog über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag ein. Politiker auf dieser Liste kommen über die Zweitstimme ins Parlament - je weiter oben man steht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür. Roth stand auf Listenplatz eins.

Mit dem von der Ampel geplanten Zuschnitt in Bayern entsteht ein neuer Wahlkreis Memmingen. Einem dort erfolgreichen Direktkandidaten wird nach aktueller Rechtssprechung das Bundestagsmandat aber nur zugeteilt, wenn dies vom Ergebnis der Zweitstimme gedeckt wäre.

CSU gerade im ländlichen Raum sehr stark

Roth könnte einen Vorteil erhalten, wenn sie bei der anstehenden Bundestagswahl nicht auf Listenplatz eins stünde, aber das Direktmandat in dem neuen Wahlkreis erreichen würde. Ob dieses Szenario eintrifft, ist aber völlig unklar.

Das bisher einzige Direktmandat für die Grünen in Bayern holte die damalige stellvertretende Bundesvorsitzende Jamila Schäfer bei der Bundestagswahl 2021 im Wahlkreis München-Süd.

Auch ohne Königsbrunn hätte CSU-Mann gewonnen

Zum Wahlkreis Augsburg-Stadt gehörte bis jetzt die Stadt Königsbrunn: Mit Blick darauf stimmt es zwar, dass Ullrich bei der Bundestagswahl im Vergleich zu Roth besonders gut abschnitt: Der Abstand zwischen beiden betrug in Königsbrunn knapp 22,7 Prozentpunkte, im ganzen Wahlkreis nur 7,5 Punkte. Doch von den insgesamt im Wahlkreis abgegebenen Stimmen landeten nur rund zehn Prozent in einer Königsbrunner Urne.

Das heißt: In einem theoretischen Szenario, in dem in Augsburg-Stadt schon 2021 ohne Königsbrunn gewählt worden wäre, hätte Ullrich trotzdem mit Abstand die meisten Erststimmen für sich gewonnen.

(Stand: 01.02.2024)

Links

Bundestag über Claudia Roth (archiviert)

Bundeswahlgesetz über Wahlkreiseinteilung (archiviert)

Stellungnahme Unionsfraktion zur geplanten Wahlrechtsänderung, S. 5 (archiviert)

dpa-Text in der "Augsburger Allgemeinen" (archiviert)

Ergebnis Bundestagswahl 2021 im Wahlkreis Augsburg-Stadt (archiviert)

Ergebnis Bundestagswahl 2021 in der Stadt Königsbrunn (archiviert)

Beitrag bei Facebook (archiviert)

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