New York

Illegal gegrabener Tunnel war nur unter Gelände einer Gemeindezentrale

02.02.2024, 13:38 (CET)

Der Streit um einen Tunnel an einer orthodoxen Synagoge in New York hat einen antisemitischen Mythos sprießen lassen. Eine Verbindung zu einem nahen Kindermuseum gibt es aber gar nicht.

In einem New Yorker Stadtteil hat die Baubehörde einen unrechtmäßig gegrabenen Gang unter einer Synagoge schließen wollen. Dabei kam es zu Tumulten mit einer Gruppe von Gemeindemitgliedern. In sozialen Medien ist nun die Rede davon, die Tunnel seien «mit dem örtlichen "Kindermuseum" verbunden». Aber das ist nicht durch die bisherigen Erkenntnisse gedeckt.

Bewertung

Falsch. Nach Angaben der Behörden befindet sich der rund 18 Meter lange Gang nur unter Gebäuden, die zur Zentrale der chassidischen Chabad-Lubawitsch-Bewegung gehören, und unter einem angrenzenden Haus. Das Jüdische Kindermuseum liegt im nächsten Block mindestens 25 Meter weiter weg.

Fakten

An der Adresse 770 Eastern Parkway im New Yorker Stadtteil Brooklyn befinden sich die Synagoge und die Zentrale der Chabad-Lubawitsch-Bewegung. Dabei handelt es sich um eine weltweite orthodox-chassidische Glaubensbewegung, die innerhalb des Judentums allerdings auch dafür kritisiert wird, ihre streng traditionelle Auslegung mit zu großem Führungsanspruch zu verbreiten.

An der Zentrale fand am 8. Januar ein Einsatz der New Yorker Polizei statt. Zuvor hatten Anwohner laut einem lokalen Medienbericht bereits im Dezember einen Tunnel entdeckt und gemeldet. Es gab die Sorge, dass durch den Tunnel einige Gebäude darüber einsturzgefährdet sein könnten. Als Zement in den Tunnel gelassen werden sollte, wehrten sich mehrere junge Männer aus der Gemeinde dagegen und randalierten dabei auch in der Synagoge. Mehrere Männer wurden festgenommen.

Nach Angaben der städtischen New Yorker Baubehörde, die von der «New York Times» und ABC News übereinstimmend zitiert wird, befindet sich der illegale Bau unter einem einstöckigen Anbau hinter den Adressen 784 und 786 Eastern Parkway. Es handele sich um einen einzelnen etwa 18 Meter (60 Fuß) langen unterirdischen Tunnel. Auch die Adresse 302 Kingston Avenue ist betroffen. Zu diesen Adressen finden sich vom 10. Januar auch Einträge über Verstöße in der Datenbank der New Yorker Baubehörde. Die Synagoge selbst ist nur indirekt betroffen.

Mit dem Verweis auf das örtliche Kindermuseum ist vermutlich das Jüdische Kindermuseum mit der Adresse 792 Eastern Parkway gemeint. Dort gibt es zum Beispiel Ausstellungen über jüdische Kultur und Geschichte für Kinder und einen Minigolfplatz. Allerdings befindet sich dieses Museum im nächsten Block, der hinter der kreuzenden Kingston Avenue beginnt. Dies ist noch einmal mindestens 25 Meter weit weg von der Adresse, an der der Polizeieinsatz stattfand. Dass der entdeckte Tunnel bis dorthin reichen soll, ist eine Fehlinformation, für die es keinen Beleg gibt.

Tunnel-Behauptung knüpft an alte antisemitische Legenden an

Noch sind nicht alle Hintergründe des illegalen Tunnelbaus geklärt. Nach Medienberichten und Angaben der Gemeinde stecken Streite um den Machtanspruch innerhalb der Chabad-Lubawitsch-Bewegung und um eine Erweiterung der Synagoge dahinter. Die Bewegung teilte auf der Plattform X, vormals Twitter, mit, dass die Gemeinde «unter dem Vandalismus einer Gruppe junger Agitatoren» leide, die die Synagoge bei der Randale rund um den Polizeieinsatz beschädigt hätten. Der Chabad-Sprecher Motti Seligson sprach von einer «Gruppe extremistischer Studenten», die sich unrechtmäßig Zugang zu den Gebäuden verschafft hätten.

Die Falschinformation zur Reichweite des Tunnels hat allerdings auch einen Bezug zu einem alten antisemitischen Mythos: Noch heute findet sich die mittelalterliche Ritualmord-Legende, wonach Juden Kinder entführt haben sollen, um ihr Blut zu trinken, in Verschwörungserzählungen und Antisemitismus. Im 20. Jahrhundert führten Gerüchte über Kindesentführungen zu Pogromen gegen Juden.

(Stand: 2.2.2024)

Links

Adresseintrag der Chabad-Lubawitsch-Zentrale (archiviert)

Website der Chabad-Lubawitsch-Zentrale (archiviert)

Beitrag des Deutschlandfunks mit Kritik an der Chabad-Lubawitsch-Bewegung (archiviert)

Artikel der «Jüdischen Allgemeinen» über Polizeieinsatz (archiviert)

Bericht von «CrownHeights» über Tunnel-Fund im Dezember (archiviert)

Artikel der «New York Times» über Tunnel und Polizeieinsatz, abopflichtig (archiviert)

Artikel von ABC News über Tunnel und Polizeieinsatz (archiviert)

Informationen der Baubehörde über 786 Eastern Parkway (archiviert)

Informationen der Baubehörde über 784 Eastern Parkway (archiviert)

Informationen der Baubehörde über 302 Kingston Avenue (archiviert)

Stellungnahme der Chabad-Lubawitsch-Bewegung zum Polizeieinsatz auf X (archiviert)

Stellungnahme von Motti Seligson auf X (archiviert)

Informationen über das jüdische Kindermuseum (archiviert)

Adresseintrag des jüdischen Kindermuseums (archiviert)

Deutschlandfunk-Beitrag über Ritualmord-Legende und Antisemitismus (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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