Foto entstand vor Demo-Start

Polizei: In Hamburg haben 50 000 Menschen gegen rechts demonstriert

24.01.2024, 11:20 (CET)

Proteste gegen rechte Gesinnung sind in Deutschland ein Massenphänomen geworden. Hier und da wird das aber vehement bestritten. Welche Zahlen und Bilder stimmen?

In Deutschland haben Mitte Januar Hunderttausende gegen Rechtsextremismus und auch gegen die AfD demonstriert. Allein in Hamburg gingen am Nachmittag des 19. Januar nach Angaben der Polizei rund 50 000 Menschen auf die Straße. Manche User in sozialen Medien glauben diesen Zahlen nicht und unterstellen der Presse Bildmanipulation - der Vergleich zweier Aufnahmen lege das nahe: «Es waren sogar NOCH VIEL WENIGER Demonstranten! Der fast identische Lichteinfall belegt dabei, dass die beiden Bilder praktisch zeitgleich entstanden sind», heißt es dort.

Die Fotos zeigen beide den Jungfernstieg in der Hamburger Innenstadt - einmal mit relativ wenigen Menschen, einmal rappelvoll. Diese zweite Aufnahme sei gefälscht, wird im Netz behauptet: «Das untere Bild wird von den deutschen Lügenmedien verbreitet. Offenbar hat man da Photoshop und/oder die KI bemüht.» Stimmt das wirklich?

Bewertung

Nein, das ist falsch. Das Foto ist nicht manipuliert, sondern entstand später als die obere Aufnahme. Auch viele andere Bilder und Videos zeigen, wie voll es bei der Demonstration war.

Fakten

Beide Fotos zeigen die Hamburger Reesendammbrücke am Nachmittag des 19. Januar 2024 aus einem ähnlichen Blickwinkel. Die Fotos sind allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen.

Auf dem ersten Bild ist im Hintergrund der Uhrenturm der Alten Post zu erkennen. Die Zeiger stehen auf 15.00 Uhr. Um diese Zeit trafen nach Darstellung der Hamburger Polizei vermehrt Demonstranten in der Innenstadt ein. Das Bild ist in Beiträgen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zu finden.

Wie der NDR auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte, stammt das Foto von einem Fotografen des Senders. Dieser habe vom Dach der Europassage aus Fotos und Videos der Demonstration gemacht. «Er war dort um 15 Uhr und noch einmal von 16 Uhr bis zum Ende der Demonstration mit einem Fernsehteam, um Bilder zu drehen», teilte eine Sprecherin des NDR der dpa schriftlich mit. Eine dem Foto sehr ähnliche Aufnahme ist auch in einem Fernsehbeitrag der Tagesschau zu sehen, bei Minute 0:36.

Offizieller Beginn der Demonstration unter dem Motto «Hamburg steht auf - Gemeinsam gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke» war laut Ankündigung um 15.30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich nach Polizeiangaben rund 30 000 Teilnehmende am Jungfernstieg versammelt.

Um 16.00 Uhr zählte die Behörde dann bereits rund 50 000 Demonstrantinnen und Demonstranten. Diese Zahl sei valide, bestätigte ein Polizeisprecher nach einer genauen Auswertung und Prüfung am 22. Januar der dpa. Diesen Ablauf bestätigen Fotos aus ähnlicher Perspektive.

Das zweite Foto wurde auf der Facebookseite des Hamburger Senats veröffentlicht. Auf dieser Aufnahme zeigt die Turmuhr ungefähr 15.20 Uhr. Zu dieser Zeit war die Brücke bereits voller Menschen. Auch das deckt sich mit den Angaben der Polizei und des NDR.

Um 16.37 Uhr entschied sich der Veranstalter aus Sicherheitsgründen zu einem Abbruch der Demo, sagte ein Polizeisprecher. Diese Entscheidung sei nach Rücksprache und einvernehmlich gefallen.

Es gibt noch mehr Belege für unterschiedliche Zeitpunkte bei den Aufnahmen. Das zeigt zum Beispiel der Schattenwurf an dem beigen Gebäude am vorderen Teil der Alsterarkaden. Bei dem ersten Foto liegen die Schatten der Erker knapp an der Kante der Fenster rechts daneben. Bei der zweiten Aufnahme liegen sie bereits über diesen Fenstern.

Andere Aufnahmen, etwa beim NDR, beim Lokalsender Hamburg 1 oder auf X (ehemals Twitter), beweisen ebenfalls, dass die Demonstration im Laufe des Nachmittags stark angewachsen ist.

Die Veranstalter sprachen zunächst von 130 000 Teilnehmenden und korrigierten sich später auf rund 80 000. Dabei hätten sie die wartenden Menschen in Nebenstraßen, die wegen der Fülle nicht mehr zum Jungfernstieg vorwärtskamen, mitgezählt, hieß es. Unterschiedliche Zahlenangaben von Polizei und Veranstaltern sind bei Demonstrationen nicht ungewöhnlich.

Ursprünglich sollte die Kundgebung auf dem Hamburger Rathausmarkt stattfinden. Die AfD hatte mit der kurzfristigen Anmeldung einer Fraktionssitzung aber den üblichen Bannkreis von 350 Metern erzwungen. Am Nachmittag gab es trotzdem auch Proteste auf dem Platz vor dem Rathaus. Die Menge skandierte Parolen wie «Ganz Hamburg hasst die AfD». Die AfD sprach von einer «Drohkulisse».

(Stand: 22.1.2024)

Links

Post (archiviert)

Artikel im «Hamburger Abendblatt» (archiviert)

Demoankündigung (archiviert)

Bilder des Uhrenturm der Alten Post (archiviert)

Foto vom späten Nachmittag (archiviert)

Google Maps Geolocation der Brücke (archiviert)

Fotos des Gebäudes am Jungfernstieg (archiviert)

NDR Bericht (archiviert)

Post auf X/Twitter (archiviert)(Video archiviert)

Bericht Hamburg 1 (archiviert)(Video archiviert)

Post vom NDR auf X (archiviert)

Beitrag der Tagesschau (archiviert)

Bericht mit Fotos der dpa (archiviert)

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