Kein Silvester-Bezug

Video aus Berlin-Neukölln entstand schon im Oktober

03.01.2024, 20:38 (CET), letztes Update: 04.01.2024, 09:40 (CET)

Auch wenn es laut Polizei ruhiger war als 2022, hat es in Berlin auch an Silvester 2023 Ausschreitungen gegeben. Aber nicht jedes im Netz kursierende Video zeigt Vorfälle vom Jahreswechsel.

In Berlin hat es rund um Silvester erneut Ausschreitungen und Angriffe auf Rettungskräfte gegeben - wenn auch, laut den Behörden, in geringerem Ausmaß als im Vorjahr. In den sozialen Netzwerken kursieren Videos, die solche Taten zeigen oder zeigen sollen. Darunter ist eines, das Nutzern zufolge schon am Abend vor Silvester oder aber einige Stunden vor dem Jahreswechsel aufgenommen worden sein soll. Im Video brennen auf einer Straßenkreuzung Gegenstände, zudem wird mit Feuerwerkskörpern geschossen, während Bereitschaftspolizisten sich beraten. Menschen rufen eine pro-palästinensische Parole und schwenken eine palästinensische Flagge. Auf einer Website wird ein Standbild aus dem Video in einem Artikel über Vorfälle unter anderem im Stadtteil Neukölln am 30. Dezember 2023 gezeigt. Aber ist es authentisch?

Bewertung

Das Video entstand nicht an Silvester und auch nicht am 30. Dezember 2023. Es zeigt Ausschreitungen in Neukölln am 18. Oktober am Rande von pro-palästinensischen Demonstrationen.

Fakten

Das Video zeigt die Kreuzung der Sonnenallee und der Pannierstraße in Berlin-Neukölln. Die beiden Eckgebäude und das leuchtende Schild über einem Hort im Erdgeschoss des rechten Gebäudes sind auch auf Aufnahmen bei Google Street View zu erkennen.

Es gibt einige Belege, dass das Video von dort nicht an oder kurz vor Silvester entstanden ist:

  • Die Bäume in der Straße links im Hintergrund tragen Laub - das Video kann also nicht Ende Dezember aufgenommen worden sein.
  • Die brennenden Gegenstände finden sich auf anderen Videos (hier und hier) aus einer ähnlichen Perspektive. Sie wurden bereits am 18. Oktober 2023 auf der Plattform X (vormals Twitter) gepostet. Klar zu erkennen ist das rechte Gebäude mit dem Hort. Im Haus sind dieselben Fenster erleuchtet wie im vermeintlichen Silvester-Video. Die brennenden Gegenstände befinden sich an derselben Stelle auf der Straße, auch wenn die Videos auf X einmal ein großes und einmal zwei kleine Feuer zeigen. In einem der Videos vom 18. Oktober ist zudem dieselbe Parole zu hören.

Am 18. Oktober gab es in Neukölln zunächst pro-palästinensische Demonstrationen und später Ausschreitungen. Die «Berliner Zeitung» schreibt, dass am späten Abend genau die Gegend betroffen war, in der sich die Straßenkreuzung im Video befindet.

Hintergrund der Demonstrationen und Ausschreitungen war der im Oktober eskalierte Konflikt im Nahen Osten. Nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel griff dessen Militär verstärkt Ziele im Gazastreifen an.

Am 17. Oktober warf die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde von Gaza Israel vor, bei einem Raketenangriff auf ein Krankenhaus Hunderte Menschen getötet zu haben. Israel wies das zurück. Für die von der Hamas aufgestellte Zahl von fast 500 Todesopfern gibt es keine Belege.

Im November teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit, dass nach ihren Erkenntnissen raketengetriebene Munition, «wie sie häufig von bewaffneten palästinensischen Gruppen verwendet wird», eine Explosion ausgelöst habe. Es seien aber weitere Untersuchungen nötig.

(Stand: 03.01.2024)

Links

«Berliner Zeitung» über Vorfälle am Tag vor Silvester 2023 (archiviert)

Aufnahmeort via Google Street View (archiviert)

Video von der Szene auf X (18.10.2023) (archiviert; Video archiviert)

Weiteres Video auf X (archiviert; Video archiviert)

«Berliner Zeitung» über Demos und Ausschreitungen am 18.10.2023 (archiviert)

dpa-Bericht zur Explosion in Gaza am 17.10.2023 (archiviert)

Human Rights Watch über die Explosion (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert; Video archiviert)

Beitrag auf X (archiviert; Video archiviert)

Artikel mit Standbild aus dem Video (archiviert)

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