Video wurde manipuliert

Habeck-Aussagen über Entwicklungshilfe erfunden

22.12.2023, 16:58 (CET)

Künstliche Intelligenz kann Menschen Worte in den Mund legen, die diese nie gesagt haben. Derzeit kursiert ein Video von Vizekanzler Robert Habeck, das auf diese Weise verfälscht wurde.

Mit Künstlicher Intelligenz lassen sich Menschen Worte in den Mund legen, die diese so nie gesagt haben. In einem solchen Fall hat sich - vermeintlich - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu deutschen Entwicklungshilfeprojekten geäußert, wie ein Video zeigen soll: «Aber es ist wichtig, dass Peru Millionen Euros für Fahrradwege von Deutschland bekommt. Es ist wichtig, dass Deutschland Milliarden Euros an Entwicklungshilfen für die Wirtschaftsmacht China bereitstellt oder dass Nigeria viele, viele Millionen an Entwicklungshilfe bekommt. Gut, der Präsident in Nigeria hat all seinen Abgeordneten teure Luxusautos geschenkt, aber ich sehe da keine Zusammenhänge, Sie etwa?» Was hat es damit auf sich?

Bewertung

Es handelt sich um ein manipuliertes Video. Solche Sätze von Robert Habeck sind nicht belegt. In der Sendung, aus der das Videomaterial stammt, sind sie nicht gefallen. Zudem sind die Angaben über den Umfang der Entwicklungshilfe irreführend.

Fakten

Eine Suche nach dem Wortlaut der vermeintlichen Habeck-Äußerungen führt zu keinen Ergebnissen. Es gibt außer dem kurzen Video also keine Hinweise, dass Habeck sich wirklich so geäußert haben könnte.

Weiter führt in diesem Fall eine Foto-Rückwärtssuche mit einem Screenshot des Videos. Sie zeigt, dass das Videomaterial aus der ARD-Talkshow «Anne Will» stammen muss. Habecks Kleidung und die Studiokulisse stimmen mit der Sendung vom 18. Juni 2023 überein. Darin war Habeck zunächst allein zu Gast, später war er Teil einer Diskussionsrunde.

In der gesamten Sendung fallen jedoch an keiner Stelle die Sätze, die nun als Ausschnitt in den sozialen Netzwerken präsentiert werden. Es ging bei «Anne Will» nicht um Entwicklungshilfe, sondern um das von Habeck damals geplante sogenannte Heizungsgesetz.

Manipuliertes Video mit kleinen Fehlern

Was also hat es mit dem Kurzvideo über Entwicklungshilfe auf sich? Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine manipulierte Aufnahme. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz können sowohl Stimmen als auch Lippenbewegungen verändert werden. Im Netz sind Programme frei verfügbar, mit denen man anderen Menschen Worte in den Mund legen kann, die sie nie gesagt haben.

Als Grundlage wird häufig ein echtes Video verwendet, in diesem Fall die «Anne Will»-Sendung mit Habeck. Auffällig ist, dass das Video mit den Sätzen über Entwicklungshilfe deutlich niedriger aufgelöst ist als das Originalinterview. Das spricht für eine Videobearbeitung.

Außerdem sind in dem kurzen Video Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Als es um Nigeria geht, läuft die Tonspur ohne Unterbrechung. Im Video ist jedoch ein kurzer Schnitt zu sehen, der nicht zu dem flüssig vorgetragenen Satz passt. Die Lippenbewegung passt bei genauerer Betrachtung nicht an jeder Stelle zum Ton, zudem wirkt die Mundpartie Habecks ein wenig verschwommener als der Rest des Gesichts. Am Ende des Videos passt Habecks Mimik nicht zu der Frage «Sie etwa?», denn er scheint sich damit an niemanden zu wenden.

Aussagen zur Entwicklungshilfe nur teilweise korrekt

Richtig an den Aussagen ist, dass Deutschland Entwicklungshilfe zum Beispiel für Peru und Nigeria leistet. Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurden Peru 2022 bis zu 426 Millionen Euro für Klimaschutz im Verkehrssektor zugesagt. Nigeria erhielt 2022 eine Zusage über 98,5 Millionen Euro für Initiativen zum Beispiel in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, für Ausbildung und Klimaschutz. Nigerias Parlament - nicht der Präsident - hat zudem beschlossen, dass die Abgeordneten teure Geländewagen bekommen sollen.

China hingegen erhält seit 2010 keine Entwicklungshilfe im klassischen Sinne mehr, sondern laut BMZ nur noch «punktuell» für deutsch-chinesische Projekte. Außerdem bietet Deutschland über die Förderbank KfW noch Kredite für Geschäfte in China an, die laut BMZ aber zurückgezahlt werden müssen. Ab 2026 soll es keine solchen Kredite mehr geben.

Im Netz finden sich weitere manipulierte Videos von Habeck mit Sätzen, die er nie gesagt hat. Das verwendete Videomaterial stammt aus demselben Interview. In einigen Fällen werden die manipulierten Videos von Nutzerinnen und Nutzern als «Satire» bezeichnet.

(Stand: 22.12.2023)

Links

«Anne Will» vom 18. Juni 2023 (archiviert; Video archiviert)

«Der Standard» über Stimmenimitation mit KI (archiviert)

BMZ zur Verkehrswende in Peru (archiviert)

BMZ zu Nigeria (archiviert)

AP-Meldung zu Nigeria (archiviert)

BMZ zu China (archiviert)

dpa-Meldung via «Yahoo» zum Ende von Förderkrediten an China (archiviert)

Weiteres gefälschtes Habeck-Video (Archivlink)

Beitrag auf Tiktok (archiviert; Video archiviert)

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