Eröffnung durch Bürgermeister

Auf dem Andreasmarkt in Karlstadt gab es Glühwein

08.12.2023, 16:01 (CET)

Muslimische Gruppen treten Ende November bei einem Markt in Unterfranken auf. Kurz darauf verbreiten sich falsche Behauptungen im Netz - sowie wütende und islamfeindliche Kommentare.

Ein Markt Ende November in Karlstadt in Unterfranken sorgt für teils entrüstete und islamfeindliche Kommentare im Netz. Auf einer Bühne waren Vertreter von örtlichen Moscheen aufgetreten. Neben einem kurzen Video davon kursieren seitdem verschiedene Gerüchte. So heißt es in einem Artikel, dass ein Muezzin den Markt eröffnet habe. Und: «Statt Glühwein und gebratener Mandeln gab es dieses Mal gebratene türkische Knoblauchwurst und Tantuni». Wurde hier ein traditioneller Markt «islamisiert» und fehlten klassische Weihnachtsmarktangebote dort komplett?

Bewertung

Nein. Auf dem Andreasmarkt in Karlstadt gab es auch typisch vorweihnachtliche Dinge wie Glühwein, Mandeln und Bratwürste. Nach Angaben der Stadt handelte es sich nicht um den Weihnachtsmarkt von Karlstadt, sondern einen Markt anlässlich eines verkaufsoffenen Sonntags. Eröffnet worden sei er vom Bürgermeister.

Fakten

Am 26. November fand in Karlstadt, der Kreisstadt des Landkreises Main-Spessart im Nordwesten von Bayern, der Andreasmarkt statt. Das Stadtmarketing hatte zuvor auf Facebook für die Veranstaltung geworben. Der Markt stand demnach unter dem Motto «Orient trifft Okzident», Anlass war ein verkaufsoffener Sonntag.

Einige Tage später erschien ein Artikel auf einem Medienportal. Neben Kritik am Islamverband Ditib finden sich darin mehrere Behauptungen, die falsch sind:

  • Der Andreasmarkt wurde, anders als in dem Artikel beschrieben, nicht von einem Muezzin, also einem Ausrufer einer Moschee eröffnet, sondern vom Karlstädter Bürgermeister. Das habe die Stadt Karlstadt im Nachhinein auf einer Pressekonferenz klargestellt, wie die örtliche Zeitung «Main-Post» in einem kostenpflichtigen Artikel berichtet. Sie veröffentlichte auch ein Foto der Markteröffnung. Das Video mit islamischem Gesang auf einer Bühne entstand demnach erst später, als zwei örtliche Moscheegemeinden ein Programm präsentierten. Sie seien in diesem Jahr die einzigen Vereine und Glaubensgemeinschaften gewesen, die sich für das Bühnenprogramm gemeldet hätten, schreibt der Bayerische Rundfunk (BR) unter Berufung auf die Leiterin des Karlstädter Stadtmarketings. Bei vergangenen Märkten waren laut «Main-Post» auch andere Vereine und Einrichtungen beteiligt.
  • Auf dem Markt gab es entgegen der Darstellung in dem Artikel auch klassische Weihnachtsmarktangebote wie Glühwein - und nicht etwa bloß türkische Gerichte. Der Falschbehauptung liegt offenbar eine Interpretation eines kostenpflichtigen Artikels der «Main-Post» vom Tag nach dem Markt zugrunde. Angeblich habe die Mainpost geschrieben, dass es anstelle von Glühwein nur türkische Spezialitäten gegeben habe. Die Zeitung ging aber lediglich auf das Essen an den Moscheeständen ein und schrieb: «Da gab es zum Beispiel Kuchen und Torten, aber auch warme Getränke und vor Ort zubereitete Speisen wie türkische Knoblauchwurst und Tantuni (Fladenbrotrollen mit Fleischfüllung).» Nach Angaben des Stadtmarketings gab es insgesamt über 50 Marktstände, darunter die zwei der Moscheen, aber auch vier Glühwein- und drei Bratwurststände. Das Foto zum ersten Artikel der «Main-Post» zeigt einen solchen Glühweinstand. Auf einem weiteren Foto sind gebrannte Mandeln zu sehen.
  • Auch wenn auf Fotos Weihnachtsdekoration zu sehen ist und typische Gerichte und Getränke angeboten wurden, handelt es sich beim Andreasmarkt laut den Verantwortlichen streng genommen nicht um einen Weihnachtsmarkt. Der BR zitiert die Leiterin des Stadtmarketings, der zufolge es ein Markt rund um den verkaufsoffenen Sonntag sei. Der eigentliche Weihnachtsmarkt findet laut Karlstadts Bürgermeister «an den Nikolaustagen» statt. In diesem Jahr ist das laut Angaben auf der Website der Stadt am 8. und 9. Dezember.

Laut Bürgermeister und Stadtmarketing haben Falschinformationen rund um den Andreasmarkt in den vergangenen Tagen zu einem «Shitstorm» gegen die Stadt Karlstadt geführt. Man erhalte telefonisch, per Mail und via Social Media Unterstellungen und Beleidigungen, zum Teil aus weit entfernten Orten und erst mehrere Tage nach dem Andreasmarkt. Unter anderen verbreitete der Vorsitzende der rechtspopulistischen österreichischen Partei FPÖ Herbert Kickl das Video. Er wiederholte auch die Falschbehauptung, der Andreasmarkt sei «mit einem islamischen Gebetsgesang eröffnet» worden.

(Stand: 7.12.2023)

Links

Ankündigung des Andreasmarkts 2023 (archiviert)

Faktencheck der «Main-Post» (Bezahlinhalt) (archiviert)

Bericht des Bayerischen Rundfunks (archiviert)

Bericht der «Main-Post» vom 27.11.2023 (Bezahlinhalt) (archiviert)

Ankündigung des Karlstädter Weihnachtsmarkts (archiviert)

Facebook-Beitrag von Kickl (archiviert; Video archiviert)

Artikel (archiviert)

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