Falsche Ortsangabe

Video zeigt Demonstration in Tel Aviv, nicht in Jerusalem

06.12.2023, 10:36 (CET)

Israels Premier ist immer wieder scharfer Kritik seiner Bürger ausgesetzt. Doch ein Video zahlreicher Demonstrierenden entstand nicht vor Benjamin Netanjahus Haus in Jerusalem, sondern in Tel Aviv.

Das Schicksal der Geiseln in der Hand der Hamas und die Unzufriedenheit mit der Regierung treibt seit den Terrorangriffen der Hamas immer wieder Menschen in Israel auf die Straße. Zu einem Video einer protestierenden Menschenmenge auf einem großen Platz heißt es etwa auf Facebook: «Israelis haben Netanyahus Residenz in Jerusalem umstellt und fordern seinen Rücktritt.» Doch das Video zeigt eigentlich einen anderen Ort.

Bewertung

Falsch zugeordnetes Video. In dem Video ist eine Demonstration in Tel Aviv zur Freilassung der Geiseln zu sehen. Es wurde nicht in Jerusalem vor dem Haus von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aufgenommen - wo es allerdings auch einen Protest gab.

Fakten

Zu Beginn des Videos ist oben links im Bild eine Ortsangabe auf grünem Hintergrund zu sehen, auf der auf Russisch «Tel Aviv, Israel» steht. Eine Suche nach Demonstrationen in Tel Aviv bis zum 26. November - an diesem Tag ist die Behauptung und das Video auf Facebook zu finden - führt zu Berichten über einen Protest am 25. November.

Zehntausende Israelis haben an diesem Samstag, 50 Tage nach dem Massaker der islamistischen Hamas, in Tel Aviv für die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen demonstriert. Sie versammelten sich am Abend mit israelischen Flaggen und Protestschildern im Zentrum der Küstenstadt. Die Organisatoren gaben die Zahl der Teilnehmer mit geschätzt 100 000 an.

Fotos und Videos in Medienberichten über diese Demonstration zeigen denselben Platz in Tel Aviv, der auch in dem Facebook-Video zu sehen ist, das fälschlich in Jerusalem vor dem Haus von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verortet wird. Erkennbar sind etwa weiße Containerbauten am Rand der Menschenmenge oder ein Plakat mit vier Porträtfotos links neben einem Plakat mit blauer hebräischer Schrift und einem Foto in einem kreisrunden Ausschnitt (im Video ab 0:11).

In dem Videoausschnitt des Protests, der online kursiert, geht es auch nicht um Forderungen nach einem Rücktritt des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Der gesamte Satz der Sprecherin ist nicht zu verstehen, allerdings spricht sie über die ethnische Minderheit der Drusen in Israel: «(...) aber die vielleicht nicht immer die Umarmung und die Anerkennung erhalten, die ihnen zustehen. Ihr wisst sicher, dass ich über die Volksgruppe der Drusen spreche. Applaus!» Ein Vertreter der Drusen war laut der «Times of Israel» einer der Redner auf der Demonstration für die Geiseln.

Der Platz, auf dem die große Demonstration stattfand, befindet sich vor dem Kunstmuseum in Tel Aviv. Seit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober hat der Ort den Beinamen «Platz der Geiseln» bekommen, um an die rund 240 Verschleppten zu erinnern, von denen die Hamas laut israelischen Angaben nach den Freilassungen noch 137 Geiseln im Gazastreifen festhält.

Das Video der großen Menschenmenge zeigt also keinen Protest vor dem Haus von Benjamin Netanjahu. Es ist aber korrekt, dass vor seiner Residenz in Jerusalem in den vergangenen Wochen immer wieder Demonstrationen stattfanden - diese waren allerdings kleiner als die gezeigte in Tel Aviv. So protestieren etwa auch am Samstag, 25. November, einige Tausend vor Netanjahus Haus und forderten seinen Rücktritt, wie aus Medienberichten wie «Daily Mail» und Al-Dschasira hervorgeht. Ebenso gab es dort Anfang November eine Demonstration.

(Stand: 4.12.2023)

Links

dpa-Bericht über Demonstration in Tel Aviv, veröffentlicht von «Berliner Kurier» (archiviert)

Bericht von «Times of Israel» über Demonstration in Tel Aviv (archiviert)

Japanischer Online-Artikel mit Video über Protest in Tel Aviv (archiviert, Video archiviert)

Ansicht auf Google Maps vom Platz vor dem Kunstmuseum Tel Aviv (archiviert)

Bericht von «Le Monde» über den Platz der Geiseln in Tel Aviv (archiviert)

Bericht der «Daily Mail» über Protest vor Netanjahus Haus in Jerusalem (archiviert)

Bericht von Al-Dschasira über Demonstrationen in Tel Aviv und Jerusalem (archiviert)

Bericht der «Jüdischen Allgemeinen» über Protest vor Netanjahus Haus Anfang November 2023 (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Video und der Behauptung (archiviert, Video archiviert)

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