Keine Inszenierung mit Puppe

Weitere Aufnahmen beweisen: Palästinenser zeigten totes Baby

05.12.2023, 14:45 (CET)

Seit Beginn des Gaza-Kriegs halten sich Vorwürfe, dass Palästinenser Aufnahmen von Leichen fälschen würden. In einem neuen Fall geht es um eine angebliche Puppe. Doch die Behauptung ist falsch.

Warnung: Einige der in diesem Artikel verlinkten Seiten zeigen Aufnahmen einer Leiche.

Ein Beitrag eines israelischen Armeesprechers in den sozialen Netzwerken sorgt für Kritik. Es geht um ein Video, das angeblich zeigt, wie Palästinenser eine Puppe als ein totes Baby ausgeben. Der Armeesprecher spricht von «Fake Aufnahmen» - dass also mit einer Puppe mutmaßlich ein Opfer des Krieges in Gaza inszeniert würde. Was stimmt?

Bewertung

Zu sehen ist tatsächlich ein totes Baby. Das beweisen weitere Aufnahmen. Einem Fotografen zufolge entstanden sie nach einem israelischen Luftangriff auf den Gazastreifen am 1. Dezember. Eine Inszenierung mit einer Puppe liegt also nicht vor.

Fakten

Die Behauptung wird zu mehreren Videos verbreitet. Eines zeigt einen Mann mit weißen Haaren, der ein in ein Tuch gewickelten, leblosen Körper eines Babys zeigt. In einem anderen Video ist eine Frau mit der Leiche im Arm zu sehen. Umstehende beobachten und fotografieren sie. Es fällt auf, dass das mutmaßlich getötete Baby die Augen starr geöffnet hat. Der Körper wirkt leblos. Einige Nutzerinnen und Nutzer, darunter der israelische Armeesprecher, schlussfolgern daraus offenbar, dass es sich um eine Puppe handeln müsse.

Von den Geschehnissen gibt es weitere, zum Teil besser aufgelöste Aufnahmen. Ein Nutzer veröffentlichte am 1. Dezember ein Reel auf Instagram. Es zeigt ebenfalls den Mann und das Baby. In dem kurzen Video ist zum Beispiel zu sehen, wie der Kopf des Kindes zur Seite kippt, wenn er nicht gestützt wird. Das spricht klar gegen eine angebliche Puppe.

Es gibt zudem Fotos, auf denen das tote Baby genauer zu erkennen ist (hier, hier und hier). Ein Fotograf der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu hat sie gemacht. Sie zeigen, dass sich Teile des Gesicht des Kindes, zum Beispiel der Mund, leicht verformen, wenn der Körper unterschiedlich gehalten wird. Auch das zeigt, dass es sich nicht um eine Puppe handelt.

Genaue Todesursache ist unklar

Alle Aufnahmen sind sehr wahrscheinlich nur wenige Stunden nach dem Tod des Kindes entstanden, denn sonst wäre bereits eine Leichenstarre zu erkennen. Was genau die Todesursache war, lässt sich anhand der Bilder nicht beurteilen. Der Fotograf stellt in einem Beitrag auf Instagram einen Bezug zu israelischen Luftangriffen her. Der Mann in den Videos spricht auf Arabisch von Beschuss durch Panzer und Artillerie und erhebt Vorwürfe gegen Israel.

Der Fotograf schreibt außerdem, dass er das Foto am 1. Dezember 2023 gemacht habe. Bei dem Baby handele es sich um einen fünf Monate alten Jungen. Außerdem seien die Mutter und der Großvater zu sehen. Die wortgleiche Bildbeschreibung findet sich auch auf der Plattform von Getty Images, auf der die Fotos von Anadolu angeboten werden.

Der Aufnahmeort ist demnach ein Krankenhaus in der Stadt Deir al-Balah im zentralen Gazastreifen. Das passt zu einem der Videos: Im Hintergrund sieht man eine rote Markise und eine Klimaanlage über einem Schild an der Wand, die auch auf anderen Aufnahmen der Klinik zu sehen sind.

Am 1. Dezember gab es nach dem Ende einer Feuerpause wieder Kämpfe im Gazastreifen, darunter israelische Luftangriffe. Laut palästinensischen Angaben war davon auch Deir al-Balah betroffen.

Israelische Zeitung löschte Artikel mit falschem Vorwurf

Die Falschbehauptung über eine angebliche Puppe war kurz nach dem Auftauchen der Bilder und Videos unter anderem von der israelischen Zeitung «Jerusalem Post» verbreitet worden. Ein entsprechender Artikel wurde jedoch wieder gelöscht. Die Zeitung schrieb auf X, dass sie einen Artikel gelöscht habe, der nicht ihren redaktionellen Standards entsprochen habe.

(Stand: 5.12.2023)

Links

Video via Instagram (archiviert; Video archiviert)

Foto via Anadolu und Getty Images I (archiviert)

Foto via Anadolu und Getty Images II (archiviert)

Foto via Anadolu und Getty Images III (archiviert)

Informationen zur Leichenstarre (archiviert)

Instagram-Beitrag des Anadolu-Fotografen (archiviert)

Krankenhaus in Deir Al-Balah auf Google Maps (archiviert)

Artikel mit Aufnahmen des Krankenhauses (archiviert)

Reuters-Bericht zur Lage im Gaza-Krieg am 1.12.2023 (archiviert)

Gelöschter Artikel der «Jerusalem Post» (Archivversion)

X-Beitrag der «Jerusalem Post» (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert; Video archiviert)

Beitrag auf X (archiviert; Video I archiviert; Video II archiviert)

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