Rockefeller unbeteiligt

Der Feminismus wurde nicht von Unternehmerfamilie erfunden

23.11.2023, 17:17 (CET), letztes Update: 14.02.2024, 17:11 (CET)

Die Anfänge der Frauenbewegung gehen auf das 18. Jahrhundert zurück. Behauptungen, der Feminismus sei eine Erfindung der Rockefellers, gehören schon deswegen ins Reich der Verschwörungserzählungen.

Frauenbewegungen kämpfen seit langem für mehr Teilhabe in der Gesellschaft. In einem Video auf Facebook wird nun behauptet, der Feminismus sei angeblich von den Rockefellers erfunden worden, um die traditionelle Familie zu zerstören und mehr Steuern einzunehmen. Dazu wird ein Zitat, das angeblich von einem Nachfahren der Familie stammen soll, als Beweis angeführt. Was steckt hinter dieser Geschichte?

Bewertung

Es gibt keine Hinweise, dass Nicholas Rockefeller von der bekannten Unternehmerfamilie abstammt. Zudem reicht die Geschichte des Feminismus weiter als die Bekanntheit der Rockefellers, somit kann die Familie keinen Einfluss bei der Entstehung der Frauenbewegung genommen haben.

Fakten

Olympe de Gouges' «Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin» gilt als einer der bedeutendsten Texte des Feminismus. Er wurde 1791 veröffentlicht und erschien somit lange bevor John D. Rockefeller Senior in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Ölgeschäften reich und einflussreich wurde. Schon deshalb kann die Behauptung, die Rockefellers hätten den Feminismus erfunden, nicht stimmen.

Bei dem verbreiteten Video handelt es sich um einen Ausschnitt aus einem Youtube-Video zum Thema «Die mächtigen Prinzipien der Rockefeller Familie». Darin sagt der Finanzunternehmer Philip Hopf, es gebe ein Zitat von Nicholas Rockefeller, der «ein weiterer Nachfahre der Rockefellers» sei. «Der Feminismus ist unsere Erfindung aus zwei Gründen», soll er gesagt haben. Im Video fällt gleich zu Anfang die Bemerkung, dass «nicht wirklich erstrangig» sei, ob das Zitat von Rockefeller stammt.

Zitat stammt aus Interview von US-Verschwörungsideologen

Jetzt zahle fast die gesamte Bevölkerung Steuern, weil auch die Frauen arbeiten gingen. «Außerdem wurde damit die Familie zerstört. Und wir haben dadurch die Macht über die Kinder erhalten», habe Nicholas Rockefeller gestanden. Die Kinder stünden «jetzt unter unserer Kontrolle»: «Sie stehen nicht mehr unter dem Einfluss der intakten Familie.»

Das angebliche Zitat stammt aus einem Interview des US-Verschwörungsideologen Alex Jones. Er hatte im Jahr 2006 den Regisseur Aaron Russo interviewt. Russo berichtete wiederum von einem Gespräch mit Nicholas Rockefeller, einem «Mitglied der Familie Rockefeller».

Dieser habe ihm nicht nur gesagt, dass seine Familie sich dafür einsetze, eine Weltregierung zu schaffen und Mikrochips in Menschen einzupflanzen. Die Rockefellers hätten den Feminismus gefördert, um die traditionelle Familie zu zerstören und Steuereinnahmen zu erhöhen. Aaron Russo starb im August 2007, Jones veröffentlichte 2009 eine DVD mit dem Interview.

NicholasRockefeller nicht mit Ölmagnat verwandt

Nicholas Rockefeller gehört jedoch gar nicht zu der Familie, die dank der Investitionen in die Standard Oil Company bekannt wurde. Auf den Seiten des Rockefeller Archive Center findet sich nirgendwo der Name Nicholas Rockefeller. Er fehlt nicht nur im Stammbaum mit den wichtigsten Familienmitgliedern, sondern auch in der Datenbank des Rockefeller Archive Center.

Auf seiner Webseite behauptet Nicholas Rockefeller selbst nicht, zu der bekannten Rockefeller-Familie zu gehören. Er verlinkt aber zu zahlreichen offiziellen Rockefeller-Webseiten und stellt sich auf der nur wenige Zeilen umfassenden Seite als Jurist und Investor vor allem in China vor.

Tatsächlich gibt es einen kalifornischen Rechtsanwalt Nicholas Rockefeller, der allerdings nicht mehr Mitglied der Rechtsanwaltskammer ist. Wikipedia verzichtete auf einen Eintrag zu Nicholas Rockefeller, weil man nicht wisse, ob dieser mit der Familie Rockefeller zu tun habe und weil man ihm zugeschriebene Äußerungen nicht nachprüfen könne.

Einzige Quelle für das Zitat ist also das Video des verurteilten Verschwörungsideologen Alex Jones über ein Interview mit dem Filmregisseur Aaron Russo, der wiederum angeblich ein Gespräch mit Nicholas Rockefeller geführt hat. Dazu kommt, dass schon die Geschichte die Behauptung widerlegt, die Rockefeller-Familie habe die Entwicklung des Feminismus vorangetrieben.

Namen wie Rockefeller oder die ebenfalls im Youtube-Video genannte Familie Rothschild wurden auch regelmäßig bei Demonstrationen während der Corona-Pandemie als Drahtzieher von Verschwörungen genannt. Remko Leemhuis vom American Jewish Committee spricht in diesem Zusammenhang von einem subtilen Antisemitismus, «denn es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass damit Juden oder als jüdisch markierte Personen gemeint sind».

(Stand: 22.11.2023)

Links

Friedrich-Ebert-Stiftung zu Feminismus (archiviert)

Heinrich-Böll-Stiftung zur Geschichte des Feminismus (archiviert)

Bundeszentrale für politische Bildung zum Feminismus (archiviert)

Euronews-Artikel zu Verurteilung von Alex Jones (archiviert)

Interview mit Aaron Russo (archiviert)

Website von Nicholas Rockefeller (archiviert)

Informationen über Nicholas Rockefeller (archiviert)

Nicholas Rockefeller bei Rechtsanwaltskammer (archiviert)

Stammbaum der Familie Rockefeller (archiviert)

Artikel über Russo-Tod (archiviert)

DVD mit Russo-Interview (archiviert)

Diskussion auf Wikipedia über Rockefeller-Eintrag (archiviert)

Video von Sendung auf Youtube mit Behauptung (archiviert)

Artikel über Antisemitismus (archiviert)

Facebook-Reel mit Behauptung (archiviert)

Facebook-Post (archiviert, Video archiviert)

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