Trick funktioniert nicht

Renteneintrittsalter ist für alle Geschlechter gleich

08.11.2023, 19:41 (CET)

Einfach das Geschlecht wechseln, um früher in den Ruhestand gehen zu können? Dieser satirische Tipp zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz geht von einer falschen Annahme zum Renteneintrittsalter aus.

In einem viralen Video auf Facebook und Tiktok macht sich ein Mann über das von der Bundesregierung geplante Selbstbestimmungsgesetz lustig. Dieses sieht unter anderem vor, dass Menschen ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister einfacher ändern lassen können. In dem als Satire bezeichneten Video sagt der Mann dazu: Bevor er möglicherweise bis zum Alter von 70 Jahren arbeiten müsse, werde er - «kleiner Lifehack an alle männlichen Arbeitnehmer da draußen» - «mit 62 Jahren das Geschlecht wechseln» und «mit 63 als Frau in Rente» gehen. Ein Jahr später werde er sein Geschlecht wieder zu männlich wechseln. Denn die Bundesregierung habe ja «beschlossen, dass man sogar ohne psychologisches Gutachten sein Geschlecht wechseln kann, und zwar einmal im Jahr.»

Bewertung

Der Witz geht von einer falschen Annahme aus. Das Renteneintrittsalter liegt bei 67 Jahren - für Frauen genauso wie für Männer. Ein Ändern das Geschlechtseintrags würde also keinen früheren Ruhestand möglich machen.

Fakten

Richtig ist, dass die Bundesregierung das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg gebracht hat. Es sieht vor, dass Menschen einfacher ihren Geschlechtseintrag und Vornamen festlegen können sollen. Derzeit beraten Bundestag und Bundesrat über den Entwurf der Ampel-Koalition.

Kein Geschlechterunterschied beim Renteneintritt

Doch ein angeblicher Trick, um früher in Rente zu gehen, wird damit nicht möglich. Denn in Deutschland gibt es beim Renteneintrittsalter keine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen. Die Altersgrenze für die sogenannte Regelaltersrente ohne Abschläge ist einheitlich, wie zum Beispiel aus den Angaben der Deutschen Rentenversicherung hervorgeht. Nur das Geburtsjahr macht einen Unterschied. Derzeit wird das Renteneintrittsalter schrittweise angehoben, bis es im Jahr 2031 für Menschen aus dem Geburtsjahrgang 1964 bei 67 Lebensjahren liegt.

Es gibt aber Möglichkeiten, um früher als mit 67 in Rente zu gehen - ganz unabhängig vom Geschlecht. Wer vor 1964 geboren ist, hat ein nach Geburtsjahrgang gestaffeltes niedrigeres Renteneintrittsalter. Eine weitere Möglichkeit ist, mit Abschlägen früher in Rente zu gehen. Wer 45 oder mehr Berufsjahre hat, kann zudem abschlagsfrei mit 63 Jahren in Rente gehen.

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen nur noch in wenigen Ländern vorgenommen wird. In anderen Ländern ist sie in den vergangenen Jahren abgeschafft worden oder wird derzeit abgeschafft. Das geht aus einer Übersicht der Bundeszentrale für politische Bildung hervor.

Dass das Renteneintrittsalter in Deutschland weiter, also zum Beispiel auf 70 Jahre, angehoben werden könnte, ist immer wieder Gegenstand von Spekulationen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz warb zuletzt für eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Auch Arbeitgebervertreter haben sich in der Vergangenheit für eine Anhebung ausgesprochen. Über konkrete Pläne der Bundesregierung ist hingegen nichts bekannt.

Was sieht das Selbstbestimmungsgesetz vor?

Das geplante Selbstbestimmungsgesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. «Trans» sind laut Gesetzentwurf Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. «Inter» bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, «die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen». «Nicht-Binär» wird als Selbstbezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, definiert.

Bislang gilt das sogenannte Transsexuellengesetz. Viele Transmenschen empfinden dieses als demütigend. Es sieht etwa vor, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Dabei müssen sie sich oft sehr intime Fragen gefallen lassen. Das Verfahren ist zudem langwierig und kostspielig. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach wesentliche Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.

Künftig sollen eine einfache Erklärung und eine Eigenversicherung beim Standesamt ausreichen - auch unabhängig davon, ob Betroffene sich bereits medizinischen Behandlungen zur Geschlechtsangleichung unterzogen haben oder nicht. Eine erneute Änderung soll dem Gesetzentwurf zufolge frühestens nach einem Jahr möglich sein.

(Stand: 08.11.2023)

Links

Bundesregierung über das Selbstbestimmungsgesetz (archiviert)

Bericht über Kritik im Bundesrat (archiviert)

Informationen der Deutschen Rentenversicherung (archiviert)

Informationen zur Rente mit 63 (archiviert)

bpb über Regelungen in Europa (archiviert)

Merz-Äußerung zum Renteneintrittsalter (archiviert)

Arbeitgeberforderung nach Rente mit 70 (archiviert)

Familienministerium zum Selbstbestimmungsgesetz (archiviert)

Justizministerium zum Selbstbestimmungsgesetz (archiviert)

Transsexuellengesetz von 1980 (archiviert)

BVerfG-Beschluss von 2008 (archiviert)

Video auf Facebook (archiviert; Video archiviert)

Video auf Tiktok (archiviert; Video archiviert)

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