Untreue-Vorwurf unbelegt

Selenskyjs Immobilien waren Berichten zufolge deutlich günstiger

26.10.2023, 11:54 (CEST)

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist immer wieder Ziel von Propaganda und Falschbehauptungen. Ein Untreue-Vorwurf erweist sich als unbelegt und über seine Immobilien kursieren falsche Zahlen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj steht im Zentrum eines vermeintlich präzisen Betrugsvorwurfs, der in einem Video auf Tiktok erhoben wird. Angeblich habe Selenskyj viel Geld in Immobilien gesteckt - und dafür «400 Millionen Dollar veruntreut», die sein Land von den USA und der EU erhalten habe. Das behaupte der US-Geheimdienst CIA. Gezeigt werden in dem Video drei teure Villen beziehungsweise Wohnhäuser in der Ukraine, Italien und England, angeblich «25 Millionen Dollar», «20 Millionen Euro» und «27 Millionen Pfund» wert. Beweisen die Bilder, dass der ukrainische Präsident westliche Unterstützung abzweigt?

Bewertung

Nein. Es gibt keine glaubwürdige Quelle für den angeblichen Vorwurf der CIA. Zwei der Immobilien werden Selenskyj zugeordnet, sie waren Berichten zufolge aber deutlich günstiger als in dem Video behauptet. Für Verbindungen Selenskyjs zu der gezeigten Villa in England gibt es keine Belege.

Fakten

Gezeigt werden in dem Video drei Gebäude. Das erste soll, so die Beschreibung, ein «Schloss» auf der Halbinsel Krim sein. Doch das Foto zeigt kein Schloss, sondern einen Appartmentkomplex nahe der Stadt Jalta. 2019 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass Selenskyjs Frau Olena im Jahr 2013 eine Penthouse-Wohnung in dem Gebäude für «weniger als die Hälfte des Marktpreises» von einem Geschäftsmann gekauft habe. Der Preis lag demnach bei etwas mehr als 160 000 US-Dollar. Die Agentur beruft sich auf Steuerunterlagen und das ukrainische Grundbuch.

Die Krim wurde im Jahr 2014 von Russland annektiert. Im Oktober 2023 berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti unter Berufung auf die russischen Besatzungsbehörden, dass Selenskyjs Wohnung «verstaatlicht» sei und zum Verkauf stehe. Der Marktwert betrage rund 25 Millionen Rubel, umgerechnet rund 260 000 Dollar.

Das zweite Gebäude im Video ist eine Villa im italienischen Urlaubsort Forte dei Marmi. Auch diese soll tatsächlich Selenskyj beziehungsweise seiner Familie gehören. 2022 berichtete die italienische Zeitung «Il Tirreno», dass Selenskyj das Haus vermietet habe - angeblich an Russen. Eine Bestätigung dafür, zum Beispiel durch Selenskyjs Büro, gibt es jedoch nicht. Über den Kauf der Villa hatte ein ukrainisches Medium bereits berichtet, als Selenskyj im Jahr 2019 für das Präsidentenamt kandidierte. Dem Bericht zufolge kostete sie 3,8 Millionen und nicht 20 Millionen Euro.

Keine nachvollziehbare Quelle für Untreue-Vorwurf

Für eine Verbindung Selenskyjs zum dritten Gebäude im Video finden sich keine Belege. Es handelt sich um einen Landsitz nördlich von London. Faktencheckern des französischen Senders France24 zufolge wurde die Behauptung, Selenskyj habe das Anwesen gekauft, in russischen Medien verbreitet, die sich wiederum auf britische Medien berufen hätten. Solche Medienberichte aus Großbritannien finden sich jedoch nicht. Stattdessen gibt es Inserate auf Immobilienportalen, wonach Haus und Grundstück für 10 Millionen Pfund zum Verkauf stehen.

Dass Selenskyj angeblich 400 Millionen Euro veruntreut habe, wurde bereits im Frühjahr als Gerücht gestreut. Es geht zurück auf einen Bericht des US-Journalisten Seymour Hersh. Dieser beruft sich auf eine anonyme Quelle in den US-Geheimdiensten. Weitere Belege werden nicht angeführt. Dieses Vorgehen von Hersh ist in der Vergangenheit mehrfach kritisiert worden, so auch bei vermeintlichen Enthüllungen des Journalisten zur Zerstörung der Gaspipeline Nord Stream 2.

Berichte über Briefkastenfirmen

An Selenskyjs wirtschaftlichen Aktivitäten als Privatperson gibt es jedoch auch Kritik, die sich auf Belege stützt. Unter anderem die «Süddeutsche Zeitung» berichtete im Jahr 2021, dass Selenskyj Inhaber mehrerer Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen gewesen sei. Die Zeitung beruft sich auf interne Dokumente von Unternehmen, die entsprechende Offshore-Modelle mit Briefkastenfirmen anboten. Selenskyj reagierte damals nicht auf Anfragen der Journalisten zu den Vorwürfen.

(Stand: 25.10.2023)

Links

Foto des Wohngebäudes bei Jalta via Yandex Maps (archiviert)

Reuters-Bericht über Selenskyj-Wohnung auf der Krim (archiviert)

Bericht von Ria Novosti über Verkauf der Wohnung (archiviert)

Italienischer Medienbericht über Selenskyj-Villa (archiviert)

Ukrainischer Medienbericht über Villa in Italien (archiviert)

Englisches Anwesen auf Google Maps (archiviert)

Faktencheck von France24 (archiviert; Video archiviert)

Englisches Anwesen auf der Sotheby's-Website (archiviert)

Artikel von Seymour Hersh (Bezahlinhalt) (archiviert)

«Snopes»-Faktencheck zu Hershs Behauptung (archiviert)

Bericht der «Süddeutschen Zeitung» zu Selenskij und den «Pandora Papers» (Bezahlschranke) (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Selenskyjs angeblichem Vermögen (20.2.2023)

Video auf Tiktok (archiviert; Video archiviert)

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