Schreiben fehlinterpretiert

Sicherheitsüberprüfung für ukrainische Fahrzeuge ist keine Tüv-Hauptuntersuchung

27.09.2023, 10:46 (CEST)

Geflüchtete Ukrainer in Deutschland brauchen für ihr Auto eine bestimmte Genehmigung. Dafür bietet der Tüv Süd einen kostenlosen Nachweis der Verkehrssicherheit an - das ist aber keine Tüv-Plakette.

Die Unterstützung ukrainischer Geflüchteter erfährt in Deutschland meist breite Zustimmung. Doch mitunter gibt es auch Neid und Wut auf die Kriegsflüchtlinge. Zurzeit verbreitet sich in sozialen Medien, dass ihnen anders als deutschen Autofahrern der Tüv für ihr Auto geschenkt werden. «Als «Deutscher Bürger» mußt DU diese Gebühr zahlen (...) Als Ukrainer NICHT» (Schreibweise im Original), heißt es als Kommentar zu einem Foto von einem Schreiben des Tüv Süd, auf dem technische Untersuchung für ukrainische Fahrzeuge steht und eine Gebühr von null Euro angeben ist. Doch diese Deutung ist nicht ganz richtig.

Bewertung

Fehlender Kontext: Die gezeigte Prüfung des ukrainischen Autos ist tatsächlich beim Unternehmen Tüv Süd kostenlos. Doch es handelt sich dabei um einen vereinfachten Nachweis über die Verkehrssicherheit - nicht um die übliche deutsche Tüv-Prüfung oder Hauptuntersuchung. Bei anderen Prüfunternehmen kann sie etwas kosten.

Fakten

Das fotografierte Schreiben des Tüv ist echt. Das bestätigte ein Unternehmenssprecher des Tüv Süd auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Doch bei der aufgelisteten Leistung handelt es sich nicht um eine deutsche Tüv-Prüfung, also die vorgeschriebene Hauptuntersuchung.

Stattdessen hat der Tüv Süd bei dem in der Ukraine zugelassenen Auto eine vereinfachte Prüfung zur Verkehrssicherheit durchgeführt: «Die Untersuchung beschränkt sich ausschließlich auf die Verkehrssicherheit, also Baugruppen wie Lenkung, Bremse, Licht», teilte der Tüv Süd mit.

Diese Prüfung bietet der Tüv Süd tatsächlich kostenlos für Ukrainer an. «Damit soll gegenüber allen ukrainischen Staatsbürgern die volle Solidarität der Überwachungsinstitutionen in dieser Krisensituation zum Ausdruck gebracht werden», teilte das Unternehmen dpa mit. Dies ist also eine Entscheidung der Prüfstelle des Tüv Süd. Eine staatliche Stelle zahlt dafür nicht. Bei anderen Prüfstellen, etwa der Dekra, sei diese Bescheinigung für Ukrainer laut einem Bericht von «t-online» nicht kostenlos.

Werden bei der Prüfung allerdings Mängel am Auto festgestellt, muss der Halter sie sofort beheben lassen und das auch bezahlen, teilte der Tüv Süd mit. So ist es auch in dem Fall, von dem das Foto in sozialen Medien kursiert. Der ukrainische Fahrzeughalter muss dem Schreiben zufolge eine ganze Reihe an Reparaturen an seinem Auto vornehmen, um einen Nachweis der Verkehrssicherheit zu erhalten.

Hintergrund dieser Prüfung zur Verkehrssicherheit sind Regeln für ukrainische Fahrzeuge in Deutschland, die Bund und Länder gemeinsam beschlossen haben. Nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Ende Februar 2022 und der Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen mit ihren Autos in Deutschland schlug das Bundesverkehrsministerium vor: Diese Autos sollen für ein Jahr unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin mit ihrer ukrainischen Zulassung in Deutschland fahren können. Denn eine eigentlich vorgesehene Ummeldung der Fahrzeuge könne in der Regel aufgrund des Flüchtlingsstatus nicht erfolgen, teilt der Tüv Süd mit.

Diese Regel wurde im Mai 2023 bis April 2024 verlängert. Allerdings müssen die ukrainischen Autofahrer eine Ausnahmegenehmigung für ihr Auto bei der Zulassungsbehörde an ihrem deutschen Wohnort beantragen. Um diese Genehmigung zu bekommen, brauchen sie eine Haftpflichtversicherung und einen Nachweis über die Verkehrssicherheit, den eine Prüforganisation wie Tüv, Dekra, KÜS oder GTÜ ausgestellt hat - also genau jenen Nachweis, um den es auf dem kursierenden Foto geht.

(Stand: 26.9.2023)

Links

Informationen des ADAC zum «Tüv» - der Hauptuntersuchung (archiviert)

Informationen für ukrainische Fahrzeughalter in Deutschland (archiviert)

Bericht von «t-online» über Debatte um Fotos des Tüv-Schreibens (archiviert)

Informationen des Verkehrsministerium in NRW über die Verlängerung der Ausnahmeregelung für ukrainische Autos (archiviert)

Behauptung in Facebook-Beitrag (archiviert und Foto archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.