Keine Kampagne in Berlin

Fälscher erfinden eine Plakat-Kampagne - und faken auch noch die Berichterstattung dazu

28.09.2023, 12:18 (CEST)

Kostet ein Leopard-Panzer so viel wie die Behandlung zehn schwerkranker Kinder? Angeblich hat es in Berlin eine Plakat-Kampagne gegeben, die diesen Vergleich zieht.

Mit welchen militärischen Mitteln Deutschland der Ukraine helfen soll, diskutiert das ganze Land immer wieder seit der Invasion des Landes durch Russland. Angeblich soll eine deutsche Wohltätigkeitsorganisation in Berlin im Juli zu der Debatte einen Beitrag mit sehr eigener Note ausgespielt haben: Vermeintlich soll die Organisation die Kosten von Leopard-Panzern mit den Kosten der Behandlung von schwerstkranken Kindern verglichen haben. Das ganze soll als größere Poster-Kampagne gelaufen sein. Angeblich hat die Nachrichtenagentur Reuters darüber berichtet, wie ein Video, aber auch Screenshots der Berichterstattung weismachen sollen. Aber gab es die Poster in Berlin wirklich?

Bewertung

Das Video ist eine Fälschung, Reuters hat es nie veröffentlicht und eine solche Plakat-Kampagne der Organisation «Bunter Kreis» hat es auch nicht gegeben.

Fakten

Auf den Plakaten werden die Kosten für einen Panzer mit 29 Millionen Euro beziffert und mit den Behandlungskosten kranker Kinder verglichen. In dem Video über die Kampagne ist das Logo der Agentur Reuters rechts oben eingeblendet. Bei einer Internetrecherche lässt sich der Beitrag von Reuters nicht finden. Auf Nachfrage der dpa sagt eine Pressesprecherin: «Reuters hat dieses Video nicht veröffentlicht.»

Die Plakat-Kampagne soll laut Logo und eingeblendetem Text im Video auf den «Bunten Kreis Rheinland» zurückgehen. Der Bunte Kreis ist ein gemeinnütziger Verein, der Familien von schwerstkranken Kindern unterstützt. Mit der angeblichen Plakat-Kampagne hat der Verein allerdings nichts zu tun, bestätigt eine Sprecherin der dpa. Heißt: Zwei angeblich mit den Plakaten zusammenhängende Institutionen bestätigen, dass die Kampagne nicht echt ist. Doch dafür gibt es noch mehr Argumente.

Details verraten: Mehrer Bilder sind nicht aktuell

So wird in dem Video behauptet, dass die Poster im Juli 2023 in Berlin hingen. Das kann aber nicht sein:

  • Auf einem Bild ist eine Werbefläche am Checkpoint Charlie in Berlin zu sehen, in dem ein Poster vermeintlich gehangen sein soll. Geht man allerdings im September 2023 am Checkpoint Charlie vorbei, gibt es die Fläche dort gar nicht. Auf Nachfrage bestätigt die Wall GmbH, der Betreiber der Werbefläche, dass die entsprechende Werbefläche schon im Juli 2022 abgebaut wurde. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Kasten auf Google Maps noch zu sehen ist.
  • Laut den Screenshots sollen die Plakate auch in der U-Bahn-Station Alexanderplatz gehangen haben. Im Hintergrund sind Plakate einer echten Kampagne der Berliner Stadtreinigung zu sehen. Auf Nachfrage sagt die Berliner Stadtreinigung: »Die Plakate im Hintergrund waren Teil einer Abfalltrenn-Kampagne der Initiative «Trenntstadt Berlin» und der Berliner Stadtreinigung. Die Motive dieser Kampagne wurden vom 26.04. bis 09.05.2022 im Berliner Stadtgebiet gezeigt.»
  • Ein weiterer Screenshot von den angeblichen Postern, stammt gar nicht aus Berlin, es zeigt den Münchner Hauptbahnhof, wie man auf Google Maps recherchieren kann.

Die Macher haben in dem gefälschtem Video also alte Bilder verwendet und bearbeitet.

Die Deutsche Welle hat bei weiteren Organisationen nachgefragt, die im Video als Beteiligte der angeblichen Kontroverse gezeigt werden, und diese haben ebenfalls erklärt, dass die Poster nicht echt sind. Beispielsweise kommt im Video Pro Asyl vor, deren Mitarbeiter Karl Kopp wird in dem gefälschtem Video als Vertreter der Organisation zitiert - doch der Ausschnitt von ihm wurde 2017 das erste Mal veröffentlicht, freilich in anderem Zusammenhang. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wird in dem Video angeblich zitiert, das Gesundheitsministerium distanzierte sich auf Anfrage der dpa von den angeblichen Aussagen.

Die Zahl von 29 Millionen Euro pro Panzer stammt wohl aus der Berichterstattung über den Kauf von 18 neuen Panzern vom Typ Leopard 2A8, den die Bundeswehr im Mai 2023 bekannt gab. Diese werden als Ersatz für ältere Panzer, die in die Ukraine geliefert wurden, beschafft.

(Stand: 28.9.2023)

Links

Fake-Video (archiviert)

Google Suche nach dem angeblichen Beitrag von Reuters(archiviert)

Screenshot aus dem Video, gefunden bei Facebook (archiviert)

Angebliches Poster am Checkpoint Charlie (archiviert)

Werbefläche am Checkpoint Charlie(archiviert)

Angebliches Poster an der U-Bahn-Haltestelle Berlin Alexanderplatz (archiviert)

Kampagne der Stadtreinigung (archiviert)

Angebliches Poster in München (archiviert)

Maps Suche Münchner Hauptbahnhof(archiviert)

Bundeswehr kauft 18 neue Leopard 2 A8 Panzer(archiviert)

Faktencheck Deutsche Welle (archiviert)

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