Angeblicher Gruß für Selenskyj

«Urine»-Anzeige in New York? Fälscher geben sich als TV-Sender aus

26.09.2023, 11:01 (CEST)

Immer wieder verbreiten Manipulateure im Netz Videos von Werbeanzeigen, die angeblich Botschaften mit Bezug zur Ukraine zeigen. Doch oft handelt es sich um Fälschungen zur Verbreitung prorussischer Propaganda.

Treffen in New York: Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sind Mitte September 2023 zur 78. Generalversammlung der Vereinten Nationen gereist. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj waren vor Ort. Doch im Netz löst ein angeblicher Vorfall in der Nähe des UN-Hauptquartiers in New York Spott aus.

User verbreiten im Netz ein Video, das eine angeblich missglückte Grußbotschaft an Selenskyj zeigen soll: Statt des bekannten Nationalslogans «Glory to Ukraine» (deutsch: «Ruhm der Ukraine») steht auf einer digitalen Werbeanzeige «Glory to Urine» («Ruhm dem Urin»). Der Clip soll angeblich von Fox News stammen, denn in der oberen rechten Bildecke ist ein Logo des US-Fernsehsenders zu sehen. Hat Fox News das Video wirklich veröffentlicht?

Bewertung

Vorsicht vor dieser Fälschung: Das Video hat nicht Fox News publiziert. Das bestätigte ein Sprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem scheint das Video manipuliert zu sein, denn das verwendete Bildmaterial ist nicht aktuell.

Fakten

Das Video sorgt international für Aufsehen, Nutzer verbreiten es über mehrere soziale Netzwerke. In der oberen rechten Bildecke des Clips ist ein Logo von Fox News Digital zu sehen. Doch auf der Webseite des Senders lässt sich kein Bericht oder Video zu dem angeblichen Vorfall finden.

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat das US-Medienhaus daher kontaktiert. Fox-Sprecher Connor Smith stellte daraufhin klar: «Fox News Digital hat dieses Video nicht veröffentlicht.» Es handelt sich also um eine Fälschung. Das Logo des Senders wird missbräuchlich verwendet.

Journalist veröffentlicht aktuelle Bilder der Straßenecke

Die Werbetafel aus dem Video befindet sich in New York an der Straßenkreuzung von 8th Avenue und 42 Street. Das bestätigt ein Abgleich mit Aufnahmen bei Google Street View, die jüngste Aufnahme stammt vom August 2022.

Ein amerikanischer Journalist hat die Straßenecke aufgesucht, als das Video der angeblichen Grußbotschaft bekannt wurde. Ben Collins, Reporter beim US-Sender NBC News, veröffentlichte aktuelle Aufnahmen von der Straßenecke. Laut Collins ist die angebliche Botschaft dort also nicht zu sehen gewesen.

Vergleicht man die von Ben Collins veröffentlichten Bilder aus dem September 2023 mit der Ansicht von Google Street View aus dem August 2022, fällt auf: In der Zeit zwischen den Aufnahmen hat an der Straßenkreuzung eine Fast-Food-Kette eine Filiale eröffnet. So ist das McDonalds-Logo in dem Video von Ben Collins klar zu erkennen - auf der Ansicht bei Street View fehlt es.

Video ist zwischen Juli und Dezember 2022 entstanden

Mithilfe weiterer Aufnahmen lässt sich der Zeitraum, in dem das Video entstanden sein muss, weiter eingrenzen.

  • Bei Street View existiert eine Aufnahme aus dem September 2021. Damals war in dem Gebäude, in dem sich heute die Fast-Food-Filiale befindet, noch ein anderes Geschäft beheimatet.
  • In einem weiteren Youtube-Video, den Angaben nach vom Dezember 2022, steht ein grüner Schutzzaun um das Gebäude.
  • In einem dritten Youtube-Video, das nach Angaben des Users am 31. Januar 2023 aufgenommen wurde, hat die Fassade nun aber einen neuen Anstrich bekommen - die Lackierung, die auch bei aktuellen Aufnahmen mit dem Fast-Food-Restaurant zu sehen ist.
  • Am Ende des Clips ist kurzzeitig eine andere Werbung vom US-Mobilfunkbetreiber «Verizon» zu sehen («Introducing Welcome Unlimited»). Das Angebot gibt es erst seit dem 12. Juli 2022.

Das bedeutet: Das Video mit der angeblichen «Urine»-Anzeige ist irgendwann zwischen Juli 2022 und Dezember 2022 aufgenommen worden. Damit ist aber auch klar: Die «Glory to Urine»-Werbeanzeige kann nicht aktuell und anlässlich von Selenskyjs Besuch in New York gezeigt worden sein, denn das Bildmaterial stammt nicht aus dem September 2023.

Die Hinweise sprechen eher für eine Manipulation: Vor September 2023 lassen sich beispielsweise auf X keine anderen Aufnahmen einer solchen Botschaft in New York finden. Das ist ungewöhnlich. Angesichts des jetzigen Aufsehens und der zahlreichen Menschen, die die Werbetafel täglich passieren, hätte eine solche Botschaft wahrscheinlich schon zuvor im Netz die Runde gemacht.

Gefälschtes Statement einer Werbefirma im Umlauf

Ein Versuch der Fälschung mehr Authentizität zu verleihen, ist die Behauptung, die «Glory to Urine»-Anzeige gehe auf einen Systemfehler bei der Anzeigenfirma zurück. So verbreiten User neben dem Clip eine vermeintliche Entschuldigung der Firma «The Clear Channel Outdoor Company», die den Werbebildschirm angeblich betreiben soll. Doch weder auf dem Instagram-Account der genannten Firma noch auf der Webseite gibt es Hinweise auf dieses Statement.

Wie die Nachrichtenagentur AP herausgefunden hat, wird die Werbeleinwand aber auch gar nicht von dieser, sondern von einer Firma namens «Big Outdoor» betrieben. «In diesem Bereich wurde noch nie eine Ukraine-Werbung geschaltet», sagte ein Mitarbeiter des Unternehmens gegenüber AP. Die ganze Geschichte ist also erfunden.

Prorussische Propaganda setzt auf manipulierte Werbeanzeigen

Es ist nicht das erste Mal, dass im Netz vermeintliche Werbeanzeigen mit Botschaften gegen die Ukraine auftauchen: Erst Anfang August hat die dpa ein manipuliertes Video einer digitalen Werbetafel mit einem Anti-Selenskyj-Slogan in Tokio aufgedeckt und widerlegt. Zuvor kursierte Ende Juni ein ähnliches, ebenfalls manipuliertes Video eines gefälschten Werbebanners in New York. Auch mit Bezug zu Berlin war bereits eine digitale Fake-Werbung aufgetaucht.

Offenbar setzen die Urheber dieser gefälschten Clips auf Fake-Werbetafeln, um prorussische Propaganda zu verbreiten. Die Clips zielen meist darauf ab, die Ukraine in ein schlechtes Licht zu rücken, die Solidarität mit dem Land infrage zustellen und prorussische Narrative zu stärken. Um den Fälschungen möglichst viel Authentizität zu verleihen, werden unter anderem Logos von bekannten Medien missbraucht, wie in diesem Fall von Fox News. Auch das nicht zum ersten Mal, denn erst vor wenigen Tagen wurde das Logo des US-Senders für einen gefälschten Bericht über eine erfundene Dokumentation missbraucht, wie die dpa berichtete.

(Stand: 24.9.2023)

Links

Suche auf Fox-News-Webseite nach Video (archiviert)

Videos von Fox News (archiviert)

Standort der Werbetafel (archiviert)

Aufnahme der Werbetafel von August 2022 bei Street View (archiviert)

Aufnahme der Werbetafel vom September 2021 (archiviert)

Video von Ben Collins auf X (archiviertarchiviertes Video)

Youtube-Video mit Angabe 31. Januar 2023 (archiviert)

Youtube-Video mit Angabe Dezember 2022 (archiviert /archiviertes Video)

«Verizon»-Mitteilung vom 12. Juli 2022 (archiviert)

Suche nach Treffern auf X vor 20. September 2023 (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Fake-Werbung in Tokio

dpa-Faktencheck zu Fake-Werbung in New York

dpa-Faktencheck zu Fake-Werbung in Berlin

dpa-Faktencheck zu gefälschtem Fox-News-Clip

Beitrag auf X mit Fake-Statement (archiviert / archiviertes Bild)

Suche nach Statement (archiviert)

«The Clear Channel Outdoor Company» auf Instagram

Webseite von «The Clear Channel Outdoor Company» (archiviert)

AP-Faktencheck (archiviert)

Über die Werbetafel (archiviert)

Webseite von «Big Outdoor» (archiviert)

Facebook-Post mit Video (archiviert / archiviertes Video)

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