Jahrealter Text

Antimuslimischer Kettenbrief geht auf Meinungsbeitrag, nicht auf Bürgermeister zurück

21.09.2023, 17:36 (CEST)

In den sozialen Medien wird wie seit Jahren schon ein antimuslimischer Kettenbrief verbreitet. Aber noch immer ist die Erzählung von einem meinungsstarken Bürgermeister falsch.

In einem Facebook-Post wird die angebliche Geschichte eines Bürgermeisters einer nicht näher genannten niederländischen Gemeinde erzählt. Muslimische Eltern sollen gefordert haben, dass in der Kantine einer örtlichen Schule kein Schweinefleisch mehr angeboten werden soll. In dem Kettenbrief wird die angebliche Antwort des Bürgermeisters dokumentiert. Demnach sei er der Ansicht, dass Muslime sich an die niederländische Kultur anpassen sollten. Sie hätten sich selbst dafür entschieden, in die Niederlande zu kommen, so der Text. Doch stimmt die Geschichte?

Bewertung

Es gibt keine Hinweise, dass es diesen Vorfall in den Niederlanden gegeben hat. Der Text verbreitet sich seit Jahren in mehreren Ländern, geht aber nicht auf einen Bürgermeister zurück.

Fakten

Ein identischer Text kursiert seit Langem in verschiedenen Sprachen. Die behauptete Herkunft des angeblichen Bürgermeisters wechselt jedoch - ebenso wie entsprechende Dementis. Der Bürgermeister der kanadischen Stadt Dorval gab bereits 2015 eine Erklärung ab, in der er angab, dass es sich um eine Fälschung handelt. Das Gleiche tat der Bürgermeister der belgischen Gemeinde Ath.

In einem Artikel von Radio Canada heißt es, die Behauptung habe ihren Ursprung 2013 im französischen Juan-les-Pins (Gemeinde Antibes). Dort soll die stellvertretende Bürgermeisterin Anfragen von Eltern abgelehnt haben, die Speisepläne einer Schulmensa zu ändern. Die einen hätten mehr Fleisch gefordert, die anderen weniger oder gar keines.

In ihrem Antwortschreiben heißt es: Die Forderungen der Eltern würden unter anderem auf religiösen oder persönlichen Überzeugen beruhen, die dem französischen Prinzip der Trennung von Staat und Religion widersprächen. Von Muslimen ist nicht ausdrücklich die Rede.

Allerdings gibt es eine Verbindung des Kettenbrief-Texts zu der Entscheidung in Juan-les-Pins: Auf einer konservativen Website erschien kurz darauf ein Meinungsbeitrag, der die stellvertretende Bürgermeisterin lobte. Der Wortlaut dieses Texts entspricht weitgehend jenem, der seitdem fälschlicherweise als Bürgermeister-Brief in verschiedenen Ländern herumgereicht wird. Ein offizieller, behördlicher Text ist es nicht.

Schon im Jahr 2014 widerlegten belgische Faktenprüfer von RTL die Geschichte. 2020 befasste sich die Nachrichtenagentur AFP mit dem angeblichen Vorfall. 2019 kursierte die Geschichte auch in Deutschland mit Text über den niederländischen Bürgermeister. 2015 soll es ein Bürgermeister in der kanadischen Stadt Montreal gewesen sein. Die Namen der Städte ändern sich, nicht aber der Text und die falsche Zuschreibung an einen Bürgermeister.

(Stand: 21.9.2023)

Links

Dementi der Stadt Dorval (archiviert)

Archiviertes Dementi der Gemeinde Ath

Mimikama-Faktencheck von 2015 (archiviert)

Mimikama-Faktencheck von 2019 (archiviert)

AFP-Faktencheck von 2020 (archiviert)

Belgischer Faktencheck aus 2014 (archiviert)

Antwortschreiben der stellvertretenden Bürgermeisterin (archiviert)

Meinungsbeitrag zu der Entscheidung von 2013 (archiviert)

Radio-Canada-Artikel zum Thema (archiviert)

Niederländischer Faktencheck von 2018 (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

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