Vorwurf der «Lüge»

Klima-Panikmache: Meinungsbeitrag enthält schiefe Argumente

21.08.2023, 17:06 (CEST)

In einem Meinungsbeitrag ist von «Lüge» und «Panik» die Rede, die in bekannten Medien zum Thema Klima verbreitet würden. Aber die dafür angeführten Argumente sind großenteils unbrauchbar oder falsch.

Ein Meinungsbeitrag auf einer Website kritisiert die Berichterstattung über Klima und Wetterereignisse in anderen Medien. Die These darin: «Wir werden verarscht». Das angebliche Ziel: «Die Bevölkerung in Angst zu versetzen, um sie dazu zu bringen, ihr Verhalten zu ändern.» Mit einigen Beispielen wird in dem Text versucht, eine vermeintliche Panikmache aufzuzeigen.

So heißt es zum Thema Dürre, der jährliche Niederschlag in Deutschland habe seit 1881 doch zugenommen. Die globale Mitteltemperatur, bei der im Juli ein Rekord verzeichnet wurde, sei «ein reines Modell-Konstrukt mit wenig Aussagewert für einzelne Regionen». Andererseits sei es 2022 nicht wärmer als 2015 gewesen. In Südeuropa gehe die Zahl der Waldbrände zudem zurück. Dem vergleichsweise kühlen und nassen Wetter im Juli 2023 wird in dem Artikel die Klima-Berichterstattung etwa der ARD gegenübergestellt. Ist der Klimawandel deshalb eine «offenkundige Lüge»?

Bewertung

Nein. Der statistische Anstieg beim Jahresniederschlag widerlegt das Problem mit Dürre in Deutschland nicht. Die Kritik an der globalen Durchschnittstemperatur sowie weitere Temperaturangaben werden in dem Artikel ohne wichtigen Kontext verwendet. Der zitierte Bericht der EU-Kommission gibt mit Blick auf Waldbrände keinerlei Entwarnung für Südeuropa. Einzelne Wetterereignisse sagen zudem kaum etwas über das Klima aus.

Fakten

An mehreren Stellen stützt sich der Meinungsbeitrag auf ungeeignete statistische Größen und selektiv zitierte Quellen, um die These einer angeblichen medialen «Lüge» zu belegen. Die zentralen Argumente im Faktencheck:

Warum der Jahresniederschlag wenig aussagt

Dürre ist ein Problem in Deutschland - auch wenn es einmal vergleichsweise viel regnet wie gerade in diesem Sommer. Die im Beitrag zitierte Jahresniederschlagsmenge ist zwar tatsächlich seit dem Jahr 1881 linear gestiegen. Doch sie sagt wenig über Dürren aus. Das erläutert der Deutsche Wetterdienst (DWD) in einem dpa-Faktencheck.

Zum einen bezieht sich der Anstieg vor allem auf die Wintermonate. Zum anderen verdunstet bei steigenden Durchschnittstemperaturen auch mehr Wasser direkt wieder. Die jüngere Vergangenheit zeigt, dass das Problem mit Dürre in Deutschland eher zunimmt. Besonders trocken waren etwa die Jahre 2018 und 2019.

Temperaturabweichungen zeigen klaren Trend

Die globale Durchschnittstemperatur spielte zuletzt im Juli 2023 medial eine Rolle. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurden neue Höchstwerte von über 17 Grad verzeichnet, was viele Medienberichte sowie Warnungen von Klimaforschern hervorrief. Richtig ist aber auch, dass es Kritik an der Aussagekraft dieser Durchschnittstemperatur gibt. Der DWD weist auf Unsicherheiten bei der Berechnung hin.

Genauere Angaben sind zu Abweichungen von Durchschnittstemperaturen aus langen Vergleichszeiträumen möglich. Sie werden in der Klimaforschung und in der Politik zum Beispiel verwendet, wenn es um die Formulierung von Zielen geht: Spricht man etwa von einem 2-Grad-Ziel, so ist damit gemeint, dass eine Abweichung nach oben maximal 2 Grad Celsius betragen soll. 2022 lag die Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau laut Weltwetterorganisation (WMO) bei 1,15 Grad.

Nasa-Index zeigt starken Anstieg seit 1900

Zum Thema Durchschnittstemperaturen verweist der Beitrag auch auf den sogenannten Land-Ozean-Temperaturindex der US-Weltraumbehörde Nasa. Auch dieser zeigt Abweichungen gegenüber einer längeren Vergleichsperiode an.

Richtig ist zwar, dass für das Jahr 2022 eine ähnliche Abweichung nach oben wie im Jahr 2015 registriert wurde. Unterschlagen wird allerdings der in dem Index klar erkennbare Anstieg über das gesamte 20. Jahrhundert und auch seit dem Jahrtausendwechsel.

Die Nasa-Grafik weist zwar immer wieder kurze Zeiträume auf, in denen die Erwärmung in etwa gleich blieb. Zwischen den Jahren 2015 und 2022 gab es den Daten zufolge aber mehrfach Jahre, in denen die Erwärmung noch einmal stärker ausfiel als im gesamten Zeitraum zuvor.

Bericht der EU-Kommission: keine Entwarnung bei Waldbränden

Aus drei Grafiken aus einem Bericht der EU-Kommission über das Jahr 2021 wird die Schlussfolgerung gezogen, dass es Waldbrände in Griechenland immer seltener gebe - genauso wie in ganz Südeuropa. Auch eine Auswertung von «Zeit online» kam Ende Juli 2023 zu dem Schluss, dass Waldbrände in Europa in den vergangenen 50 Jahren leicht zurückgegangen seien.

Einen direkten Bezug dieser Abnahme zu klimatischen Bedingungen stellt der EU-Bericht nicht her. Vielmehr heißt es bezogen auf die kleiner gewordene jährlich verbrannte Fläche in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland: «Das liegt zum großen Teil an Verbesserungen bei der Brandbekämpfung in diesen Ländern», also zum Beispiel an besser ausgerüsteten Feuerwehren.

Im Bericht steht auch, dass Waldbrände aufgrund des Klimawandels eine «wachsende Gefahr» darstellten. Das deckt sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema, denn der Klimawandel schafft günstigere Bedingungen für Wald- und Buschbrände.

Wetter ist nicht gleich Klima

Die im Beitrag vorgenommene Gegenüberstellung des Regenwetters in Deutschland im Juli 2023 mit Berichten über den Klimawandel sitzt einem weit verbreiteten Irrtum auf: Nämlich, dass einzelne Wetterereignisse etwas über das Klima aussagen würden.

Der DWD erklärt auf seiner Webseite den Unterschied zwischen Wetter und Klima. Wetter bezieht sich auf ein Ereignis an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Der Begriff Klima hingegen meint die Gesamtheit von Wetter-Phänomenen über einen längeren Zeitraum.

Einzelne Extremwetter-Ereignisse, also auch Dürren oder Hitzewellen, können nicht einfach und direkt der menschengemachten globalen Erwärmung zugeordnet werden. Denn entsprechende Wetterlagen könnten bei bestimmten Faktoren auf natürliche Weise entstehen, erklärt das Umweltbundesamt. Doch treten solche Ereignisse über einen bestimmten Zeitraum häufiger auf, kann das jedoch darauf hinweisen, dass sich das Klima verändert hat.

(Stand: 21.8.2023)

Links

dpa-Faktencheck zum Jahresniederschlag

«Süddeutsche Zeitung» über Temperaturrekorde im Juli (archiviert)

DWD über die globale Durchschnittstemperatur (archiviert)

Klimaforscher Rahmstorf zur globalen Durchschnittstemperatur (archiviert)

WMO zum Stand der Erwärmung 2022 (archiviert)

Land-Ozean-Temperaturindex der Nasa (archiviert)

EU-Bericht über Waldbrände im Jahr 2021 (archiviert)

«Zeit online» über Waldbrände (Bezahlinhalt) (archiviert)

WMO über Waldbrände und Klimawandel (archiviert)

DWD-Glossar: Wetter (archiviert)

DWD-Glossar: Klima (archiviert)

Umweltbundesamt zu Klimawandel und Wetter (archiviert)

Beitrag auf «Nius» (archiviert)

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