Keine «Spiegel»-Webseite

Vermeintlicher Medienartikel ist eine Fälschung

16.08.2023, 17:32 (CEST)

Seit einem Jahr tauchen im Netz Artikel auf, die das Design bekannter Medienmarken kopieren. Doch was auf den ersten Blick aussieht wie ein «Spiegel»-Artikel, ist in Wahrheit eine Fälschung.

Bekannte Medien sind für viele Menschen ein Anlaufpunkt im Internet, um sich zu informieren. Das machen sich auch Akteure zunutze, die Falschinformationen verbreiten wollen. Bereits im vergangenen Jahr gab es eine Kampagne, bei der immer wieder Nachrichtenseiten deutscher Medienunternehmen gefälscht wurden. Sie verbreiteten völlig aus der Luft gegriffene Inhalte. Das geschah nun auch wieder bei einem Artikel im Design der Webseite des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel».

Bewertung

Der Artikel ist eine Fälschung und stammt nicht vom «Spiegel». Das ist an der Internetadresse und anderen Merkmalen erkennbar. Die Aufmachung der Original-Website wurde lediglich kopiert.

Fakten

Die Seite entspricht zwar oberflächlich dem Design des Nachrichtenmagazins, sogar die Links führen auf die Original-Homepage. Mehrere Punkte zeigen aber, dass es sich nicht um einen echten «Spiegel»-Artikel handelt.

Die Internetadresse (URL) von Artikeln des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» beginnt immer mit «spiegel.de», endet also mit der sogenannten Top-Level-Domain «.de». Im gefälschten Artikel lautet die URL jedoch «spiegel.ltd». Allein das zeigt, dass der Artikel aus einer anderen Quelle stammt.

Auch der Inhalt lässt sich beim «Spiegel» nicht finden. Bei einer Suche auf der Internetseite des Magazins nach dem Titel des Artikels taucht kein Treffer auf. Auf Anfrage bestätigte eine Sprecherin des Nachrichtenmagazins der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass der Artikel eine Fälschung sei.

Außerdem deuten zahlreiche Fehler und ungelenke Formulierungen darauf hin, dass der Artikel aus einer anderen Quelle stammt. So wird immer wieder ein «Hans-Werner Zinn» zitiert, der «Direktor des Zentrums für Wirtschaftsforschung und ehemaliger Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (IFO)» gewesen sein soll.

Vermutlich ist damit Hans-Werner Sinn gemeint, der ehemalige Präsident des ifo Instituts, dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München. Sinn war lange Jahre einer der prominentesten deutschen Wirtschaftsforscher. Ein «Zentrum für Wirtschaftsforschung» gibt es nicht und auch keinen «Hans-Werner Zinn», der es leitet.

Weiter auffällig ist, dass der Artikel mit einem Foto von einer Demonstration in Berlin aus dem Jahr 2010 bebildert ist, auf dem die Grünen-Politikerinnen und -politiker Claudia Roth, Renate Künast, Cem Özdemir und Jürgen Trittin zu sehen sind. Dass das Foto bereits 13 Jahre alt ist, belegt dieser Artikel, wo es als sechstes Bild der Fotostrecke zu sehen ist.

Inhaltlich befasst sich der Artikel mit einer angeblich von den Grünen vorangetriebenen Wirtschafts- und Energiepolitik, die für Deutschland schädlich sei, aber den USA nütze. Kronzeuge dafür ist der oben erwähnte, höchstwahrscheinlich frei erfundene «Hans-Werner Zinn».

Der falsche «Spiegel»-Text gehört zu einer größeren Kampagne: Im Sommer 2022 zeigten Recherchen von «t-online» und dem ZDF, dass mehr als 30 gefälschte Webseiten Teil einer größeren Aktion pro-russischer Akteure sind, die gezielt Desinformationen in sozialen Netzwerken und vor allem auf Facebook verbreiten.

Das Bundesinnenministerium zeigte sich beunruhigt über die Fälschungen und sagte der dpa Anfang September 2022, die Berichte zeigten exemplarisch «das Ausmaß pro-russischer Propaganda und Desinformation in Deutschland». Diese verfolge das Ziel, Vertrauen in Politik, Gesellschaft und staatliche Institutionen zu untergraben, sagte ein Sprecher.

Auch in einem Bericht des französischen Generalsekretariats für Verteidigung und Sicherheit von Juni 2023, der über Methoden russischer Fake-News zum Krieg in der Ukraine aufklärt, werden die gefälschten deutschen und europäischen Webseiten erwähnt. Als betroffene Länder werden dort Frankreich, Deutschland, Litauen, Lettland, Großbritannien, die Ukraine, die USA, Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate genannt.

Ende Juli 2023 verhängte die EU Sanktionen gegen Propagandisten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die sie als Verantwortliche hinter den gefälschten Medien-Webseiten und anderen Fake-Kampagnen betrachtet.

Die dpa hat verschiedene aktuelle, gefälschte Artikel gefunden und geprüft. Dies zeigt, dass die Fake-Kampagne weiterhin andauert. Gemeinsam haben die derzeitigen Fälschungen, dass sie alle die Domain-Endung «.ltd» nutzen und pro-russische Inhalte verbreiten.

(Stand: 16.8.2023)

Links

Gefälschter Artikel (archiviert)

archivierte Suche nach dem Titel des Artikels

Informationen zu Hans-Peter Sinn beim ifo-Institut (archiviert)

Artikel mit Fotostrecke (archiviert)

«t-online»-Recherche zu Fake-Seiten von 2022 (archiviert)

ZDF-Recherche zu Fake-Seiten von 2022 (archiviert)

dpa-Meldung zu gefälschten Nachrichtenseiten, bei «deutschlandfunkkultur.de» (archiviert)

Bericht des französischen Generalsekretariats für Verteidigung und Sicherheit (archiviert)

dpa-Faktencheck zu gefälschtem «Welt»-Artikel

Mitteilung des Rats der EU zu den Sanktionen (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

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