Keine Essensdiktatur

«One Health» soll Krankheiten verhindern

18.08.2023, 12:53 (CEST)

Kommt nun die weltweite Lebensmittelmarke? Angeblich plant die Weltgesundheitsorganisation so eine Regulierung unseres Essens. Da ist aber rein gar nichts dran.

Die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist häufig Ziel von Gerüchten. Nun sollen aber Pläne im Gange sein, die unser aller Ernährung beträfen: Die Organisation will mit dem Programm «One Health» angeblich den Menschen künftig vorschreiben, was diese zu essen hätten. Aber worum genau geht es bei dem Programm?

Bewertung

Mit «One Health» soll ein Gleichgewicht zwischen der Gesundheit von Menschen, Tieren und Natur hergestellt werden, um der Entstehung und Ausbreitung von Krankheiten vorzubeugen. Ein Aspekt ist die Gewährleistung von Lebensmittel- sowie Trinkwassersicherheit. Vorgaben zur Ernährung beinhaltet das Konzept aber nicht.

Fakten

In den sozialen Netzwerken wird ein Videobeitrag des Mediums «AUF1» geteilt, in dem es um besagtes Programm geht. Damit würden unter anderem Lebensmittelmarken, «maßgeschneiderte Mahlzeiten und verpflichtende Nahrungsprogramme» geplant, heißt es dort. Im Folgenden wird dann allerdings nicht auf Inhalte der WHO verwiesen, sondern ausschließlich aus einem Blogartikel zitiert.

Die Gesundheitsinitiative «One Health»

Als «One Health» wird ein Prinzip bezeichnet, das die Gesundheit von Mensch, Tier und Natur im Zusammenhang sieht. Welche globalen Auswirkungen Krankheitsausbrüche in der Umwelt haben können, hat nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie gezeigt. Die internationale Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin sowie dem Umweltsektor soll solchen weltweiten Gesundheitsrisiken vorbeugen und ermöglichen, sie schneller zu erkennen und darauf zu reagieren.

Ein wesentlicher Faktor ist hier die Schnittstelle zwischen Mensch und Tier: Laut Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) werden rund 75 Prozent aller bei Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten von Tieren übertragen (Downloadlink). Gründe für diese sogenannten Zoonosen seien unter anderem der steigende Bedarf an tierischem Eiweiß, der Eingriff in den Lebensraum von Wildtieren und das globale Transportwesen. Die meisten der bekannten Fälle von Zoonosen seien außerdem indirekt erfolgt, zum Beispiel über die Nahrung.

Insofern spielt die Ernährung bei «One Health» natürlich eine Rolle. Allerdings nicht dahingehend, dass «verpflichtende Nahrungsprogramme» eingeführt würden. Auf dpa-Anfrage teilte ein WHO-Sprecher mit, dabei handele es sich um völlige Fehlinformationen. Hierzulande wird das Konzept unter anderem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) umgesetzt. Auch dort sei nichts zu Plänen für Lebensmittelmarken oder den Eingriff in Ernährungsgewohnheiten bekannt, so eine Ministeriumssprecherin gegenüber der dpa.

Im Aktionsplan «One Health Joint Plan of Action» ist vielmehr zu lesen, dass es hinsichtlich der Ernährung lediglich um die Überwachung der Lebensmittelsicherheit (Downloadlink, S.53)
gehen soll und nicht um Vorgaben für irgendein Lebensmittel an sich.

Maßnahmen für eine gesündere Ernährung in den USA

Die aufgestellten Behauptungen stammen allesamt aus einem US-amerikanischen Blogbeitrag. In diesem werden verschiedene Maßnahmen in den Vereinigten Staaten erwähnt, über die angeblich die Ernährung der Bevölkerung kontrolliert werden soll. Doch die erwähnten Programme sind gar keine Überwachungsmechanismen – und sie entstanden darüber hinaus auch unabhängig von der WHO.

Die Initiative «Food is Medicine» hat zum Ziel, über eine gesunde Ernährung chronischen Erkrankungen vorzubeugen. Denn in den USA sterben jährlich mehr als eine Million Menschen an ernährungsbedingten Krankheiten wie Diabetes oder bestimmten Krebserkrankungen, und die Fälle von Adipositas haben zwischenzeitlich einen neuen Höchststand erreicht.

Um dem entgegenzuwirken, müsse gemäß der Initiative Ernährung als Teil des Gesundheitswesens verstanden werden. Unter anderem könnten Ärzte dann «medizinisch maßgeschneiderte Mahlzeiten» verschreiben, um Krankheiten vorzubeugen oder sie zu behandeln. Das könne darüber hinaus auch den Bedarf an teureren, invasiven Maßnahmen reduzieren. Das ist aber per se weder bedenklich noch ungewöhnlich: Auch hierzulande können Ärzte präventiv eine Ernährungsberatung oder bei bestehenden Krankheiten eine dahingehende Therapie als Teil der Behandlung anordnen.

Auch um die angesprochenen Lebensmittelmarken geht es in dem Text. Das Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP) unterstützt aber ausschließlich Personen bis zu einer gewissen Einkommensgrenze - früher über Lebensmittelmarken und inzwischen über eine Debitkarte. Hier gibt es zwar tatsächlich gewisse Einschränkungen, für Alkohol und Tabakwaren gilt die Karte beispielsweise nicht. Doch das bedeutet nicht, dass nur Gesundes gekauft werden darf. Auch der Erwerb von Softdrinks, Süßigkeiten oder kostspieligeren Lebensmitteln wie Meeresfrüchten ist im Rahmen von SNAP zulässig.

Da die Maßnahme vollständig aus dem Staatshaushalt finanziert wird und sich die Kosten auf mehr 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr belaufen, besteht jedoch wohl kaum ein Interesse daran, eine Verpflichtung für alle US-Bürger zu schaffen.

(Stand: 17.8.2023)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Videobeitrag (archiviert)

Informationen zu «One Health» (archiviert)

Informationen zu Zoonosen (Downloadlink) (archiviert)

«One Health Joint Plan of Action» (Downloadlink) (archiviert)

Ursprung der Behauptungen (archiviert)

Zu ernährungsbedingten Krankheiten in den USA (archiviert)

Informationen zu «Food is Medicine» (archiviert)

Informationen zu Ernährungsberatung (archiviert)

Informationen zu SNAP (archiviert)

Kurzübersicht zu Vorgaben für SNAP (archiviert)

Staatliche Ausgaben für SNAP (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.