Falscher Kontext

Video von Krim-Brücke wurde vor dem 22. Juni aufgenommen

22.06.2023, 15:59 (CEST)

Russland meldet einen Angriff auf eine Brücke auf die Halbinsel Krim. Schnell kursiert ein Video, das dort zerstörte Autos zeigen soll. Doch ein Detail im Video verrät, dass es nicht aktuell ist.

Die russischen Besatzer im Südosten der Ukraine melden einen Angriff auf eine Brücke auf die Halbinsel Krim nahe des Dorfes Tschonhar. Ein Vertreter der Besatzungsbehörden teilt am frühen Morgen des 22. Juni auf Telegram entsprechende Bilder, die ein Loch in der Fahrbahn zeigen. Am Vormittag verbreitet sich in den sozialen Netzwerken auch ein Video. Es soll zeigen, dass Autos mutmaßlich von einer Druckwelle zur Seite geschleudert wurden. Gibt es einen Zusammenhang zu den jüngsten Ereignissen?

Bewertung

Nein. Das Video ist nicht am 22. Juni aufgenommen worden, sondern vermutlich deutlich älter. Das zeigen der Sonnenstand und der Schatten. Auf einem anderen Video sind die zerstörten Autos bereits im März 2022 auf der Brücke zu sehen - kurz nach Beginn der russischen Invasion in weite Teile der Ukraine.

Fakten

Der Verwalter des von Russland besetzten Teils der Region Cherson im Süden der Ukraine, Wladimir Saldo, hat am 22. Juni 2023 frühmorgens mitgeteilt, dass die Ukraine eine Straßenbrücke zwischen dem Festland und der Halbinsel Krim angegriffen habe. Dazu stellte Saldo auf Telegram Aufnahmen, die ein Loch in der Fahrbahn zeigen, durch das man bis aufs Wasser schauen kann. Er warf der Ukraine vor, von Großbritannien gelieferte Raketen abgefeuert zu haben. Verletzt worden sei niemand. Aus Kiew gab es zunächst keine Stellungnahme.

Kurz darauf kursierte ein weiteres Video, das auf der Brücke aufgenommen wurde. Es zeigt beschädigte Autos, die am Rand der Brücke liegen. In einem deutschsprachigen Telegram-Kanal heißt es: «Ein weiteres Video vom Aufprall auf die Brücke bei Chongar». Zudem ist die Rede von einer Druckwelle. Das Posting bezieht sich offensichtlich auf den gerade gemeldeten Angriff.

Sonnenstand im Video kann nicht vom 22. Juni stammen

Aber das Video kann nicht am 22. Juni entstanden sein. Das zeigt ein Blick auf die Website «Sonnenverlauf.de». Wenn das Video an diesem Tag aufgenommen worden wäre, dann entspräche der sichtbare Schattenwurf bereits einem Sonnenstand von nach 13 Uhr Ortszeit, denn die Sonne scheint aus Süden bis Südwesten und der Schatten fällt fast im rechten Winkel zur Straße in die entgegengesetzte Himmelsrichtung.

Allerdings wurde das Video zum Beispiel auf Telegram bereits ab 12 Uhr Ortszeit in Tschonhar verbreitet. Der Sonnenstand war dort zu dieser Tageszeit also noch gar nicht möglich. Daher muss das Video definitiv vor dem 22. Juni entstanden sein. Es kann mit dem jüngsten mutmaßlichen Raketenangriff also nichts zu tun haben.

Anderes Video zeigt Autos auf Brücke schon im März 2022

In russischen Kanälen auf Telegram ist die Rede davon, dass das Video bereits aus dem März 2022 stamme. Tatsächlich sieht man die zerstörten Autos in der identischen Anordnung auch in einem anderen Video, das seit dem 17. März 2022 auf Youtube zu finden ist.

Im Februar 2022 war Russland unter anderem von der schon 2014 annektierten Krim in weitere ukrainische Gebiete eingedrungen, darunter die Region Cherson. Die Brücke bei Tschonhar liegt an der Grenze zwischen den Regionen und bildete damit bis zur Invasion von 2022 die Demarkationslinie zwischen Ukrainern und Russen.

Auf dem Video aus dem März 2022 sind russische Militärfahrzeuge zu sehen, die über die Brücke nach Cherson fahren. Möglich ist, dass die zerstörten zivilen Autos zuvor als Barriere genutzt wurden. Auf den aktuellen Aufnahmen, die der Besatzungsverwalter am 22. Juni 2023 postete, sind sie nicht mehr zu sehen.

(Stand: 22.6.2023)

Links

Aufnahmeort auf Google Maps (archiviert)

Telegram-Posting von Saldo (archiviert)

Weiteres Posting (archiviert)

dpa-Meldung zum mutmaßlichen ukrainischen Raketenangriff (archiviert)

Video auf Telegram (archiviert)

Sonne und Schatten auf der Brücke bei «Sonnenverlauf.de» (archiviert)

Telegram-Posting mit Verweis auf März 2022 (archiviert)

Youtube-Video vom 17. März 2022 (archiviert)

Bericht von 2016 über Checkpoint in Tschonhar (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert; archiviertes Video)

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