Ukraine-Besuch

Video von US-Senator Graham irreführend geschnitten

08.06.2023, 16:56 (CEST)

Die US-Regierung unterstützt die von Russland angegriffene Ukraine mit Waffen und Militärhilfe. Auch Oppositionspolitiker haben sich für solche Hilfen ausgesprochen. Darunter ist etwa der republikanische Senator Lindsey Graham. Ende Mai traf er sich in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Ein Video von dem Treffen soll zeigen, wie Graham sagt: «Die Russen sterben, und das ist das Beste, wofür wir je Geld ausgegeben haben.» So wird es von Medien und in den sozialen Netzwerken verbreitet. Hat Graham das wirklich gesagt?

Bewertung

Das Video ist irreführend geschnitten. Ein ungeschnittenes Video zeigt: «Das Beste, wofür wir je Geld ausgegeben haben» bezieht sich allgemein auf die US-Unterstützung für die Ukraine. Erst einige Augenblicke später sagte Graham in einem neuen Kontext: «Die Russen sterben.»

Fakten

Lindsey Graham und Wolodymyr Selenskyj trafen sich am 26. Mai 2023 in Kiew. Anschließend verbreitete die ukrainische Präsidialverwaltung ein Video davon. Es wurde von der Nachrichtenagentur Reuters verwendet und findet sich weltweit auf Websites von Medien und in den sozialen Netzwerken.

Das Video enthält jedoch einen Schnitt, durch den Grahams Aussagen missverstanden werden können. Zunächst ist ein Dialog zwischen Selenskyj und Graham zu sehen. Selenskyj sagt: «Frei oder sterben», was Graham wiederholt. Dann sagt Selenskyj: «Jetzt sind Sie frei». Graham: «Ja.» Selenskyj: «Wir werden es sein.» Graham: «Und die Russen sterben.»

Dann wird ein Schnitt gesetzt und Graham ist von nun an von vorne zu sehen. Es wirkt, als ob er fortfahre: «Es ist das Beste, wofür wir je Geld ausgegeben haben» beziehungsweise «Unsere beste Investition aller Zeiten» (im englischen Original «It's the best money we've ever spent»).

Tatsächlich aber fiel der zweite Satz («Es ist das Beste...») nicht direkt nach dem Satz über sterbende Russen. Das zeigt ein anderes, einige Tage später von der ukrainischen Präsidialverwaltung veröffentlichtes Video. Dieses zweite Video wurde nicht geschnitten. Die Agentur Reuters verbreitete es ebenfalls.

Es zeigt, dass sich Grahams Satz über das Geld gar nicht auf die sterbenden Russen bezieht. Selenskyj begrüßt den US-Senator und dankt ihm für die Unterstützung: «Es sind 38 Milliarden Dollar. Eine große, große Hilfe. Sehr wichtig.» Darauf entgegnet Graham: «Es ist das Beste, wofür wir je Geld ausgegeben haben.»

Dann sprechen die Politiker über den Kriegsverlauf. Graham sagt, dass die Ukraine ihn beeindrucke. Sie erinnere ihn «an unser besseres Selbst in Amerika». Es habe eine Zeit gegeben, in der man selbst so gewesen sei. Wörtlich sagt Graham: «Gekämpft bis zur letzten Person. Wir werden frei sein oder sterben.» Hier beginnt der Teil des Dialogs, der auch im ersten Video zu hören war. Selenskyj: «Frei oder sterben.» Graham: «Frei oder sterben.» Selenskyj: «Jetzt sind Sie frei». Graham: «Ja.» Selenskyj: «Wir werden es sein.» Graham: «Und die Russen sterben.» Selenskyj: «Ja, aber sie kamen auf unser Territorium.» Graham: «Ja.» Selenskyj: «Wir kämpfen nicht auf ihrem Territorium.»

Graham und Selenskyj beziehen sich dabei implizit auf den Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese hatten sich Ende des 18. Jahrhunderts die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht erkämpft. In den USA wird bis heute mit dem Ausspruch «Live Free or Die» an den Kampf für die Unabhängigkeit erinnert. Es ist unter anderem das offizielle Motto des Bundesstaats New Hampshire und wird dort unter anderem auf Autokennzeichen verwendet.

Der irreführende Schnitt geht vermutlich auf die ukrainische Präsidialverwaltung zurück. Die vermeintliche Graham-Äußerung sorgte in Russland für eine entrüstete offizielle Reaktion. Das Innenministerium in Moskau schrieb den Senator zur Fahndung aus. Die Rede war von «russophoben Äußerungen». Nachdem die Ukraine das ungeschnittene Video veröffentlicht hatte, forderte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Graham solle öffentlich Stellung dazu nehmen, ob seine Äußerungen «aus dem Kontext gerissen wurden».

(Stand: 8.6.2023)

Links

Video via Reuters und «The Sun» auf Youtube (27.5.2023) (archiviert)

Video bei «yahoo!news» (archiviert)

Ausschnitt bei «Nexta» (archiviert; archiviertes Video)

Ungeschnittenes Video via Reuters (29.3.2023) (archiviert)

US-Bundesstaat New Hampshire über sein Motto (archiviert)

dpa-Meldung über russische Reaktion (30.5.2023) (archiviert)

Reuters über russische Reaktion (29.3.2023) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert; archiviertes Video)

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