Für 18 Monate

Asylsuchende sind zunächst weder privat noch gesetzlich krankenversichert

18.04.2023, 19:30 (CEST), letztes Update: 18.04.2023, 19:36 (CEST)

Es gibt sehr viele Falschbehauptungen darüber, wie Asylsuchende in Deutschland versorgt werden. Zum Beispiel kursiert das Foto eines Leserbriefes, in dem steht, Asylbewerber seien Privatpatienten, «die aufgrund der Gesetzeslage nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden können und von den Gemeinden deshalb in der privaten Krankenversicherung versichert werden.» Sind Asylsuchende privat versichert?

Bewertung

Asylsuchende sind in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts nicht krankenversichert. Die Kommunen gewährleisten, dass Asylbewerber eine ärztliche Versorgung bekommen.

Fakten

Asylbewerber sind in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts in Deutschland nicht krankenversichert. Das gilt so seit Sommer 2019 - vorher betrug die Wartezeit 15 Monate. Die Kommunen gewährleisten, dass Asylbewerber eine ärztliche Versorgung bekommen - und zwar auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in der gesetzlichen Krankenversicherung.

So steht es auch in Asylbewerberleistungsgesetz, § 4. Asylbewerber haben also im Leistungsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. «Die Leistungen für die Gesundheitsversorgung werden in den ersten 18 Monaten vom Sozialamt übernommen», bestätigte Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die betroffenen Asylbewerber sollen zum Arzt gehen können, wenn sie unter Schmerzen leiden, akut erkrankt oder schwanger sind. Dieser Grundsatz galt auch schon im Jahr 2017, als der Leserbrief geschrieben wurde.

Der Leserbrief war am 22. September 2017 in der «Wirtschaftswoche» erschienen. Dass er nicht aktuell ist, lässt sich schon daran erkennen, dass der im Brief genannte Hermann Gröhe (CDU) nicht mehr Gesundheitsminister ist.

Die dpa hat den Leserbriefschreiber kontaktiert und ihn gefragt, was die Quelle für seine Aussagen war. Der Mann erklärte, auf einer Geburtstagsfeier mit einem ehemaligen Offizier der Bundeswehr gesprochen zu haben. Der Ex-Soldat habe sich damals um mehrere Flüchtlinge gekümmert und ihm die Lage so detailliert beschrieben, dass er keinen Zweifel an der Korrektheit der Aussage hatte. Später habe er dann den Leserbrief verfasst.

Mindestens seit 2019 kursiert der Leserbrief im Internet. Ein Pressesprecher des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) teilte der dpa damals mit: «Weder die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) noch die PKV werden während der Dauer des Asylverfahrens mit den Ausgaben belastet.»

Auch in Kliniken genießen Asylbewerber nicht die «Privilegien der Privatpatienten», wie in dem Leserbrief behauptet wird. Sie haben also zum Beispiel weder das Recht auf eine Chefarzt-Behandlung noch auf ein Einzelzimmer. Beides sind Wahlleistungen, die Mitglieder von privaten Krankenversicherungen in ihren Versicherungsschutz aufnehmen lassen können.

Nach Ablauf von 18 Monaten können anerkannte Flüchtlinge - wie Deutsche auch - zwar unter gewissen Voraussetzungen Mitglieder der PKV werden: etwa dann, wenn sie arbeitslos sind und in ihrem Heimatland privat versichert waren. Sie haben in diesem Fall aber nur einen Sozialtarif, also einen Versicherungsschutz auf dem Niveau der GKV. Anerkannte Flüchtlinge können sich dann aber auch einer Gesetzlichen Krankenkasse anschließen.

(Stand: 19.4.2023)

Links

Post (archiviert)

Flüchtlingsrat Niedersachsen zur Lage (archiviert)

Leserbrief (archiviert)

Asylbewerberleistungsgesetz § 4 (archiviert)

Infoblatt des Hartmannbundes zur Versorgung von Flüchtlingen archiviert

Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission 2013 (archiviert)

Verband der PKV zu Privatpatientenrechten (archiviert)

Verband PKV zu Sozialtarifen (archiviert)

Verband der GKV zu Krankenversorgung von Asylbewerbern (archiviert)

Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern, Ausarbeitung der WD des Bundestages (archiviert)

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