Gaspipeline

«Times»: Deutsche Nord-Stream-Ermittler schließen Spur nach Westen nicht aus

08.02.2023, 17:08 (CET)

Die Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im vergangenen September sind noch immer nicht aufgeklärt. Die Frage nach dem Urheber beschäftigt vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine weiter viele Medien. Nun meldet ein Blog: «Deutschland vermutet, dass ein westliches Land die Pipelines gesprengt hat». Angebliche habe die britische Zeitung «Times» berichtet, «dass deutsche Ermittler einen westlichen Staat als Urheber des Anschlages vermuten». Stimmt das?

Bewertung

Das geht aus dem «Times»-Artikel nicht hervor. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen in Deutschland, dass man dort bei Ermittlungen lediglich «für Theorien offen bleibt, wonach ein westlicher Staat die Sprengung durchgeführt habe, um Russland dafür die Schuld zu geben».

Fakten

Der Blog-Beitrag beruft sich auf eine Meldung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Diese hat am 2. Februar 2023 einen Bericht der britischen «Times» aufgegriffen, der kurz zuvor erschienen war.

Die «Times» beschreibt den Stand der Ermittlungen zu der Sprengung der deutsch-russischen Gaspipelines. Denn auch Monate nach den Explosionen ist noch unklar, wer der Verursacher ist. Erwähnt werden drei voneinander unabhängige Ermittlungen in Dänemark, Schweden und Deutschland. Zudem trägt die Zeitung Einschätzungen aus Geheimdienstkreisen in weiteren Staaten sowie Äußerungen von Politikern zusammen. Das Fazit lautet: «Derzeit scheint es wenig wahrscheinlich, dass es in naher Zukunft Klarheit geben wird.»

Die Agentur Tass und auch der deutschsprachige Blog-Eintrag stützen sich nur auf einen kurzen Ausschnitt des Berichts. Sie interpretieren ihn zudem so um, dass der Eindruck entsteht, der deutsche Verdacht richte sich ausschließlich gegen westliche Länder, nicht gegen Russland. Tass nutzt die Überschrift (im Original auf Russisch): «Times: Die Bundesrepublik nimmt an, dass ein westliches Land für die Explosionen bei Nord-Stream verantwortlich ist». Auch im deutschsprachigen Blogeintrag, der eine Übersetzung der Tass-Meldung nutzt, wird dieser Eindruck aufrechterhalten.

Die «Times» schreibt hingegen lediglich (im Original auf Englisch): «Die deutschen Ermittlungen sollen bisher wenig Fortschritte gemacht haben. Die Beamten müssen erst noch zwingende Beweise finden. Allerdings bleiben sie nach Informationen der "Times" offen für Theorien, wonach ein westlicher Staat die Sprengung durchgeführt habe, um Russland dafür die Schuld zu geben.» Ähnlich wird es auch im weiteren Verlauf der Tass-Meldung dargestellt. Diese widerspricht somit der eigenen Überschrift.

Um eine exklusive oder gar konkrete deutsche Ermittlung in Richtung westlicher Staaten geht es in der «Times» nicht. Der Zeitungsbericht vermittelt vielmehr den Eindruck, dass die deutschen Ermittler sich alle Optionen offen halten. Dem stellt die Zeitung Äußerungen aus anderen Staaten gegenüber, in denen die Verantwortung klarer benannt wird. Zitiert werden ein Berater des ukrainischen Präsidenten, der kurz nach dem Vorfall Russland die Schuld gab, und ein ehemaliger polnischer Außenminister, der die USA hinter der Sprengung vermutete. Konkrete neue Erkenntnisse nennt aber auch die «Times» nicht.

(Stand: 8.2.2023)

Links

Tass-Meldung (Russisch, 2.2.2023) (archiviert)

«Times»-Bericht (Englisch, 2.2.2023) (archiviert)

Beitrag des «Anti-Spiegel» (archiviert)

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